Ansprüche an die Beweiswürdigung bei der Konstellation „Aussage gegen Aussage“

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 16. Januar 2024 ein Urteil des Landgerichts Bielefeld aufgehoben (4 StR 428/23).

Hintergrund war der Vorwurf einer Reihe von Sexualstraftaten des Angeklagten an einer Person. Der Angeklagte hat die Taten bestritten. Hauptbeweismittel war die vermeintlich geschädigte Zeugin.

Der BGH hat hierzu festgestellt, dass pauschale Feststellungen nicht ausreichen, wenn es um eine Reihe von Taten geht und es die Urteilsgründe der Revisionsinstanz ermöglichen müssen, die Bewertungen des Landgerichts zu überprüfen:

Rechtlichen Bedenken begegnet unter den gegebenen Umständen bereits die knappe Wiedergabe der Aussage der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung, die neben der pauschalen Mitteilung, dass sie das – aus einer Vielzahl von Taten bestehende – Geschehen „wie festgestellt bekundet“ habe, „soweit es ihrer Wahrnehmung unterlag“, lediglich zu einigen der abgeurteilten Taten weitere Details umfasst. Durchgreifend rechtsfehlerhaft ist, dass die Strafkammer, die einen erheblich für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin sprechenden Gesichtspunkt unter anderem in deren Konstanz „über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren“ sieht, die vorangegangenen Aussagen der Nebenklägerin nicht wiedergegeben hat, so dass dem Senat eine Nachprüfung dieser tatrichterlichen Wertung nicht möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2023 – 4 StR162/23 Rn. 7 f.; Beschluss vom 18. November 2020 – 2 StR 152/20 Rn. 8 ff.)

Anwalt für Sexualstrafrecht in Berlin, Fachanwalt für Strafrecht und Strafverteidiger mit über 25 Jahren Erfahrung im Sexualstrafrecht.

Das heimliche Abstreifen des Kondoms („Stealthing“) erfüllt den Tatbestand der Vergewaltigung, sagt der Bundesgerichtshof

Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich der Bundesgerichtshof mit dem Thema des „Stealthing“ beschäftigen würde. Nach diversen Amtsgerichten. Landgerichten und Oberlandesgerichten hatte nun der Bundesgerichtshof über einen Fall zu entscheiden, bei dem das Landgericht Düsseldorf einen Mann zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen diverser sexueller Übergriffe verurteilt hatte.

Dabei war die Frage zu entscheiden, wie das heimliche Abstreifen des Kondoms vor oder während des Geschlechtsverkehrs rechtlich zu bewerten ist. Einige Amtsgerichte hatten Angeklagte freigesprochen mit der Argumentation, dass heimliches Handeln mit der Vorschrift des § 177 StGB nicht bestraft werden könne, weil ein Handeln gegen den Willen fehle, wie es § 177 Absatz 1 verlangt.

Mehrere Oberlandesgerichte hatten dem widersprochen und darauf hingewiesen, dass der vor dem Sex erklärte Wille, es nur mit Kondom tun zu wollen, missachtet werde. Damit läge zumindest ein sexueller Übergriff im Sinne des § 177 Absatz 1 StGB vor.

In der Praxis wurden viele Fälle mit den im Vergleich milden Folgen des § 177 Absatz 1 abgeurteilt und mit Geld oder Bewährungsstrafen belegt. Dabei wurde aber das eigentlich wichtigste Thema oft freundlich ignoriert: Mit dem ungeschützten Eindringen könnte ein schwerer Fall der Vergewaltigung im Sinne des § 177 Absatz 6 vorliegen, der eine Mindeststrafe von zwei Jahren (!) bedeutet. (In einem meiner Fälle als Rechtsanwalt für Sexualstrafrecht in Berlin hatte die Staatsanwaltschaft tatsächlich eine Strafe von drei Jahren wegen schwerer Vergewaltigung erwogen, das Gericht sprach den Angeklagten dann aber frei.)

In der Begründung  der Amtsgerichte wird oft darauf abgestellt, dass die hohe Strafe des § 177 Absatz 6 StGB  Strafe nicht passe, da es sich ja im Kern um einvernehmlichen Sex handele. Der Bundesgerichtshof hat nun in einer kurzen aber klaren Bemerkung klargestellt, dass in der Regel die Anwendung des härteren Rechts nach Absatz 6 möglich ist:

Es bedarf hier keiner Erörterung, dass grundsätzlich die Verwirklichung des Regelbeispiels nach § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB in Betracht kommt (vgl. dazu KG, Beschluss vom 27. Juli 2020 – [4] 161 Ss 48/20 [58/20], OLGSt StGB § 177 Nr. 5 S. 17; BayObLG, Beschluss vom 20. August 2021 – 206 StRR 87/21, juris Rn. 39; Hoffmann, NStZ 2019, 16, 17 f.).

Nehmen Sie diesen Vorwurf der Vergewaltigung daher ernst, auch wenn es nur um das Abstreifen eines Kondoms handelt. Kleine juristische Unterschiede können über Jahre entscheiden. Lassen Sie sich daher von 25 Jahren Erfahrung als Berliner Verteidiger in Sexualstrafsachen beraten, wie eine gute und erfolgreiche Verteidigung aufgebaut wird.

Hier kann der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13. Dezember 2022 nachgelesen werden.

Anwalt für Sexualstrafrecht in Berlin, Fachanwalt für Strafrecht und Strafverteidiger mit über 25 Jahren Erfahrung im Sexualstrafrecht.

Das Leugnen eines Tatvorwurfes oder die Behauptung eines günstigeren Tatverlaufes darf auch in Sexualstrafsachen nicht strafschärfend berücksichtigt werden.

Im Sexualstrafrecht, gleichgültig ob der Vorwurf der Vergewaltigung, des Missbrauchs oder eines sexuellen Übergriffs im Raum steht, müssen Selbstverständlichkeiten oft mit verteidigt werden. Das zeigt diese Entscheidung des Bundesgerichtshofes, in der ein Urteil wegen des verhängten Strafmaßes aufgehoben wurde. Denn es ist das Recht eines jeden Angeklagten, und das gilt auch im Sexualstrafrecht, sich mit dem Abstreiten des Vorwurfs zu verteidigen oder Umstände zu schildern, die sein Verhalten – aus seiner Sicht – nachvollziehbar erscheinen lassen.

Das Landgericht hatte dem Angeklagten, der wegen Vergewaltigung angeklagt war, vorgeworfen, dass er eine sexuelle Erregung der Zeugin behauptet hatte und damit eine Strafschärfung begründet.

Der Bundesgerichtshof stellt hierzu fest:

„Die strafschärfende Bewertung dieser Bemerkung ist rechtsfehlerhaft, weil es sich um zulässiges Verteidigungsverhalten handelt. Der Angeklagte ist nicht der Wahrheit verpflichtet, so dass es ihm freisteht, sich zu verteidigen, indem er die Täterschaft leugnet oder eine ihm günstigere Sachverhaltsvariante behauptet.“
(vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2021 – 3 StR 411/21 mwN; vom 4. Mai 2022 – 6 StR 155/22; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 675).

Hier kann der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18. Oktober 2022 nachgelesen werden.

Verteidigung in Sexualstrafsachen braucht Fachkenntnis und Ausdauer. Insbesondere muss die Verteidigung sicherstellen, dass alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten zugunsten des Mandanten ausgeschöpft werden. Neben allen Fachkenntnissen ist Erfahrung dabei der beste Ratgeber. Verlassen Sie sich auf Beides: Sachkunde und Erfahrung in Sexualstrafsachen seit 1997.

Rechtsanwalt sexueller Missbrauch Berlin: Entscheidung des BGH zum Sexualstrafrecht bei nicht öffentlicher Verhandlung

Rechtsanwalt sexueller Missbrauch Berlin Strafverfahren Sexualstrafrecht

Rechtsanwalt sexueller Missbrauch Berlin: Entscheidung des BGH zum Sexualstrafrecht bei nicht öffentlicher Verhandlung

Der Bundesgerichtshof hatte über die Revision eines Angeklagten zu entscheiden, bei der weitgehend ohne Öffentlichkeit verhandelt wurde. Als Rechtsanwalt in Berlin für den Bereich sexueller Missbrauch eine kurze Anmerkung: Strafverfahren auch in Sexualstrafsachen des sexuellen Missbrauchs sind werden der Regel öffentlich verhandelt. Zum Schutz des persönlichen Lebensbereichs der Beteiligten Zeugen oder auch -wie hier- des Angeklagten erlaubt das Gesetz den Auschluss der Öffentlichkeit. Das muss aber, so stellt es der Bundesgerichtshof hier fest, auch für die Plädoyers und vor allem das letzte Wort des Angeklagten -besonders wie hier bei dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs- gelten. Denn es ist nicht auszuschließen, dass ein Angeklagter in einem Verfahren ohne den Druck der Öffentlichkeit im letzten Wort Angaben macht, die er vor der Öffentlichkeit gerade nicht machen würde, dies aber  zu einer milderen Bestrafung hätte führen können.

 

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
5 StR 530/19
vom
27. November 2019
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. November 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 6. Juni 2019 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Übergriff und mit Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Übergriff und mit Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen sowie wegen Sichverschaffens kinder-pornographischer Schriften in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, von der es vier Monate wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für bereits vollstreckt erklärt hat. Die dagegen gerichte-te und auf die Rüge der Verletzung formellen sowie materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit einer Verfahrensrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Während der Schuldspruch von den rechtsfehlerfreien Feststellungen getragen wird, führt die Revision des Angeklagten mit der Rüge einer Verletzung von § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG zur Aufhebung des Strafausspruchs.

1. In der Hauptverhandlung wurde die Öffentlichkeit während der Vernehmung des Angeklagten zur Sache ausgeschlossen, weil zu erwarten sei, dass hierbei Umstände aus dem Intimbereich des Opfers und des Angeklagten zur Sprache kommen würden, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen sowohl des Opfers als auch des Angeklagten verletzen könnten. Der Angeklagte machte danach Angaben zur Sache. Bei den Schlussanträgen und beim letzten Wort des Angeklagten war die Öffentlichkeit hergestellt.
2. Es liegt ein Verstoß gegen § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG vor. Nach dieser Vorschrift wäre die Öffentlichkeit während der Schlussanträge zwingend auszu-schließen gewesen, nachdem Teile der Hauptverhandlung zuvor unter Aus-schluss der Öffentlichkeit stattgefunden hatten. Die Regelung des § 171b Abs. 5 GVG i.V.m. § 336 Satz 2 StPO steht der vom Angeklagten erhobenen Rüge dabei nicht entgegen (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 12. November 2015 – 2 StR 311/15, NStZ 2016, 180 mit Anmerkung Arnoldi).
a) Auf dem dargelegten Verfahrensfehler kann allerdings der Schuld-spruch nicht beruhen. Angesichts des vollumfänglichen Geständnisses des An-geklagten sowie der Bildaufnahmen seiner Taten kann der Senat ausschließen, dass der Verteidiger oder der Angeklagte in nichtöffentlichen Schlussvorträgen noch Erhebliches hätten vorbringen können, das den Schuldspruch hätte infrage stellen können.  Rechtsanwalt sexueller Missbrauch Berlin

b) Dagegen kann der Strafausspruch auf dem Verfahrensfehler beruhen. Es ist möglich, dass jedenfalls der Angeklagte, wäre ihm das letzte Wort unter Ausschluss der Öffentlichkeit erteilt worden, Ausführungen gemacht hätte, die die Strafzumessung zu seinen Gunsten beeinflusst hätten. Trotz der durch den Generalbundesanwalt zutreffend als überaus maßvoll bezeichneten Strafen kann ein Beruhen des Strafausspruchs auf den Verfahrensfehler nicht völlig ausgeschlossen werden. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Rechtsanwalt sexueller Missbrauch Berlin

3. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen werden durch den Verfahrensfehler nicht berührt. Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bestehenden nicht widersprechen.

Keine (doppelte) strafschärfende Berücksichtigung von Tatbestandsmerkmalen bei schwerer Vergewaltigung

Anwalt in Berlin bei Vergewaltigung: aktuelle Rechtsprechung kommentiert

Verteidigung beim Vorwurf der Vergewaltigung: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht in Berlin Ursus Koerner von Gustorf

Verteidigung beim Vorwurf der Vergewaltigung: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht in Berlin Ursus Koerner von Gustorf

Der Bundesgerichtshof hatte über die Revision eines wegen Vergewaltigung angeklagten Mannes zu entscheiden. Verurteilt worden war er wegen eines Falles der besonders schweren Vergewaltigung, weil er bei der Tat ein Messer als Drohmittel eingesetzt haben soll. Dies führt zu einer Mindeststrafe von fünf Jahren. Allerdings darf der zum Vorwurf gehörende Umstand, dass ein Messer eingesetzt wurde, nicht nochmals strafschärfend berücksichtigt werden. Dass Gerichte gerade in Verfahren mit dem Vorwurf der Vergewaltigung zu einer doppelten Verwertung von Umständen zu lasten des Angeklagten neigen, kann ich aus meiner langjährigen Erfahrung als Anwalt in Berlin nur bestätigen.

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3StR 314/19 vom1. Oktober 2019

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts auf dessen Antrag am 1. Oktober 2019 gemäß §349 Abs.2 und4 StPO einstimmig beschlossen:

1.Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts Koblenz vom 29.April 2019 aufgehoben im Ausspruch über

a)die für die Tat zu ZifferII.2. der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe,b)die Gesamtstrafe;jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen auf-rechterhalten.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-verwiesen.2.Die weitergehende Revision wird verworfen.Gründe:Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und be-sonders schwerer Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jah-ren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getrof-fen. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.

Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §349 Abs.2 StPO.I.

1.Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten im FallII.2. der Urteilsgründe -rechtsfehlerfrei-als besonders schwere Vergewaltigung gemäß §177 Abs.8 Nr.1 StGB gewertet. Die Zumessung der für diese Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafe von sieben Jahren hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung nicht stand.Es begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass die Strafkammer die Erwägung, der Angeklagte habe „sich mit dem Küchenmesser versehen und dieses mitgebracht“, strafschärfend gewichtet hat. Damit hat sie einen Umstand berücksichtigt, der schon Merkmal des gesetzlichen Tatbestands ist (§46 Abs.3 StGB). Denn der Angeklagte verwirklichte den Qualifikationstat-bestand des §177 Abs.8 Nr.1 StGB dadurch, dass er zur Durchsetzung sei-nes Vorhabens, sexuelle Handlungen an der Geschädigten auch gegen deren Willen zu vollziehen, aus einer mitgeführten Tasche ein Messer mit einer Klin-genlänge von 17cm nahm und dieses drohend auf die Geschädigte richtete. Diese duldete daraufhin aus Angst, der Angeklagte werde das Messer gegen sie einsetzen, den vaginalen Geschlechtsverkehr. Hat das Verwenden des mit-geführten Messers zur Folge, dass die für diese Tat festzusetzende Strafe dem erhöhten Strafrahmen des §177 Abs.8 StGB zu entnehmen ist, so erweist es sich als eine unzulässige Doppelverwertung, wenn bei der konkreten Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten gewichtet wird, dass er eben dieses Messer mit zum Tatort brachte.Dies gilt hier auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Angeklagte gegen eine gerichtliche Gewaltschutzanordnung verstieß, indem er die Geschädigte in ihrer Wohnung aufsuchte.

Die Aufhebung der für die Tat zu ZifferII.2. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage.

II.Die jeweils zugrunde liegenden Feststellungen sind von dem aufgezeigten Wertungsfehler nicht betroffen und können daher bestehen bleiben (§353 Abs.2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen.

Und nochmal: Der Bundesgerichtshof zur Definition der „Sexuellen Handlung“

Verteidiger für Sexualstrafrecht / sexueller Missbrauch in Berlin-Schöneberg: Ursus Koerner von Gustorf

Verteidiger für Sexualstrafrecht / sexueller Missbrauch in Berlin-Schöneberg: Ursus Koerner von Gustorf

Sexueller Missbrauch durch reines Fotografieren einer Alltagssituation?

Der Bundesgerichtshof hatte im August 2018 über ein teilweise freisprechendes Urteil des Landgerichts Berlin zu entscheiden. Hierbei war die Frage zu klären, ob das Fotografieren eines nackten und entblößten  Kindes in einer alltäglichen Situation als Herstellung von Kinderpornografie strafbar sein kann. (Urteil vom 29. August 2018, 5 StR 147/18 in abgekürzter Fassung)

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Die Ausführungen des Landgerichts in seiner rechtlichen Würdigung lassen besorgen, dass es bei der Beurteilung, ob im Fall 1 – und infolgedessen auch im Fall 3 – der Urteilsgründe eine sexuelle Handlung des Angeklagten vorliegt, von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen ist.

An einem Kind mit Körperkontakt vorgenommene Handlungen sind sexuelle Handlungen, wenn diese bereits objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen. Daneben können aber auch sogenannte ambivalente Tätigkeiten, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein. Insoweit ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt. Dazu gehören auch die Zielrichtung des Täters (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2016 –4 StR 389/16) und seine sexuel-12131415-8-len Absichten (BGH, Urteile vom 10. März 2016 –3 StR 437/15, BGHSt 61, 173, 176; vom 21. September 2016 –2 StR 558/15, NStZ 2017, 528).

Der notwendige Sexualbezug kann sich mithin etwa aus der den Angeklagten leitenden Motivation ergeben, seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen (BGH aaO). Demgegenüber hat das Landgericht darauf abgestellt, dass „der objektive Betrachter der Handlung … zwar alle objektiven Umstände des Einzelfalls, allerdings nicht die Motivation des Handelnden (kennt), es sei denn, dass diese in objektiv wahrnehmbarer Weise zum Ausdruck kommt“ (UA S. 10)

Nach § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB macht sich auch strafbar, wer kinder-pornographische Schriften ausschließlich zum Eigenbedarf herstellt. Eine spätere Verbreitung ist seit der Einfügung der Nummer 3 durch das 49. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10) nicht mehr erforderlich (vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 30; MüKo-StGB/Hörnle, 3. Aufl., § 184b Rn. 30; SSW-StGB/Hilgendorf, 3. Aufl., § 184b Rn. 15).

Nach dem Schutzzweck des § 184b StGB ist dieser Straftatbestand nicht auf Fälle der Darstellung strafbewehrter sexueller Missbrauchstaten im Sinne der §§ 176 bis 176b StGB beschränkt. Denn das Merkmal „Erheblichkeit“ in § 184h Nr. 1 StGB ist nicht einheitlich am Maßstab des § 176 Abs. 1 StGB, -sondern gemäß dem Wortlaut des § 184h Nr. 1 StGB „im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut“ zu bestimmen. Nachdem § 184b StGB aber schon mögliche Anreize für potenzielle Missbrauchstäter vermeiden soll, versagt der für § 176 StGB entwickelte Maßstab der „Erheblichkeit“ gerade in den Fällen, in denen es dort zum Beispiel auf die Intensität und Dauer einer Berührung ankommt; die Übernahme dieses Maßstabs würde den Zweck der Anreizvermeidung verkürzen (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 –1 StR 485/13, BGHSt 59, 177, 182 f. mwN).

BGH zum „Einwirken“ im Sinne des § 176 StGB

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 22. Juni 2010 (3 StR 177/10) eine Entscheidung zum Begriff des „Einwirkens“ auf ein Kind im Sinne des § 176 StGB getroffen. Auch für das heute oft verfolgte Phänomen des „Cybergroomings“ ist diese Entscheidung wichtig. Weiterlesen

Bundesgerichtshof: Sexuelle Belästigung gem. § 184i StGB nur bei entsprechendem Vorsatz des Beschuldigten

Beschluss des BGH vom 15. November 2017, Aktenzeichen 5 StR 518/17

Der Bundesgerichtshof hat eine Selbstverständlichkeit bestätigt: Sexuelle Belästigung im Sinne des § 184i StGB liegt nur dann vor, wenn der Beschuldigte davon ausgeht, dass er eine andere Person „belästigt“. Weiterlesen

Der Bundesgerichtshof zum Begriff der sexuellen Belästigung im Sinne des § 184i StGB

Sowohl als auch: Der Begriff der „sexuellen Belästigung“ ist nach der  Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einzelfallabhängig nach subjektiven und objektiven Maßstäben zu messen. Diese Entscheidung zeigt, wie schwierig sich der Umgang mit der Vorschrift des § 184i StGB  in der Praxis darstellt.

BGH, Beschluss vom 13.3.2018–4 StR 570/17

Zum Sachverhalt

Das LG Essen hat mit Urteil vom 22.6.2017 die Angekl. S wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen sexueller Belästigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und den Angekl. B wegen Beihilfe zur Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Mitangekl. K, der keine Revision eingelegt hat, wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen ihre Verurteilung wandten sich die Angekl. S und B mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen.

Die Rechtsmittel führten zur Aufhebung des Urteils, die sich gem. § 357 Satz 1 StPO auf den Mitangekl. K erstreckte; die Sache wurde an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen.

Aus den Gründen

Die Verurteilung der Angekl. S und B im Zusammenhang mit dem Tatgeschehen zum Nachteil des Nebenkl. L hat keinen Bestand.

Die Verurteilung der Angekl. S wegen sexueller Belästigung gem. § 184 i StGB zum Nachteil der Polizeibeamtin St hält rechtlicher Nachprüfung ebenfalls nicht stand.

Diese Verurteilung beruht im Wesentlichen auf folgenden Feststellungen des LG:

Nachdem die Angekl. S am 11.2.2017 aufgrund des vorgenannten Geschehens festgenommen worden war, wurde sie in den Räumen einer Polizeiwache in G. – in Anwesenheit der geschädigten Polizeibeamtin St – von einer weiteren Polizeibeamtin körperlich durchsucht. Die Angekl., der die Durchsuchung missfiel, rief der Geschädigten zu: „Und Du willst wohl auch gleich in meine Fotze gucken? Soll ich auch in Deine greifen?“ Dabei griff sie der Geschädigten mit einer schnellen Bewegung in den Schritt und kniff sie dort schmerzhaft. Die Geschädigte war hierdurch schockiert; der Vorfall war ihr peinlich, und sie ekelte sich sehr.

Zwar sind die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Straftatbestands der sexuellen Belästigung iSd § 184i Absatz 1 StGB erfüllt. Das LG hat indes nicht geprüft, ob der Strafbarkeit die Subsidiaritätsklausel dieser Vorschrift entgegensteht.

Gemäß § 184i Absatz 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der körperlichen Berührung „in sexuell bestimmter Weise“ iSv § 184i Absatz 1 StGB – diese Vorschrift ist durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4.11.2016 (BGBl. I 2016, Seite 2460) eingeführt worden – hat sich der BGH bislang nicht geäußert (zum Verhältnis der Vorschrift zu § 184h StGB vgl. BGH, NStZ-RR 2017, Seite 277 und NStZ 2018, Seite 91 = StV 2018, Seite 238.  Im Schrifttum werden insoweit unterschiedliche Auslegungsansätze vertreten.

Teile der Literatur bestimmen den Begriff „in sexuell bestimmter Weise“ anhand objektiver Umstände und verlangen, dass sich der Sexualbezug aus der Berührung als solcher ergeben müsse – diese müsse nach ihrem äußeren Erscheinungsbild eine sexuelle Konnotation aufweisen (vgl. MüKoStGB/Renzikowski, 3. Aufl., § 184 i Rn. 8 ders., NJW 2016, Seite 3553; SK-StGB/Noltenius, 9. Aufl., § 184 i Rn. 6; Hörnle, NStZ 2017, Seite 13; Hoven/Weigend, JZ 2017, Seite 182;  in diese Richtung auch Krug/Weber, ArbR 2018, 59 [60]). Zur Bestimmung des Sexualbezugs werden als Kriterien genannt die soziokulturell bestimmte Bedeutung der berührten Körperstelle (MüKoStGB/Renzikowski, § 184 i Rn. 8, ders., NJW 2016, Seite 3553) sowie der Umstand, dass für den in Rede stehenden Körperkontakt typischerweise das Bestehen einer intimen Beziehung vorausgesetzt werde [Hörnle, NStZ 2017, Seite 13,; SK-StGB/Noltenius, §184 i Rn. 6).

Nach anderer – weiter gehender – Auffassung soll das Vorliegen einer Berührung „in sexuell bestimmter Weise“ anhand der Auslegungskriterien zu bestimmen sein, welche die Rechtsprechung zum Begriff der sexuellen Handlung nach § 184h Nummer 1 StGB entwickelt hat (Fischer, StGB, 65. Aufl., § 184 i Rn. 4-5 a; in diese Richtung auch BeckOK StGB/Ziegler, 1.2.2018, § 184 i Rn.4 und 5); demnach könne eine Berührung sowohl objektiv – nach dem äußeren Erscheinungsbild – als auch subjektiv – nach den Umständen des Einzelfalls – sexuell bestimmt sein, wobei es allerdings nicht ausreiche, dass die Handlung allein nach der subjektiven Vorstellung des Täters sexuellen Charakter habe (Fischer, §184 i Rn. 4-5 a).

Der Senat folgt der letztgenannten Ansicht. Mit Blick auf § 184h Nummer 1 StGB sprechen für diese Auslegung insbesondere systematische Erwägungen. Zudem wird sie durch den Wortlaut sowie Sinn und Zweck der neuen Strafvorschrift gestützt.

 Für eine Maßgeblichkeit der zum Begriff der sexuellen Handlung gem. § 184h StGB entwickelten objektiven und subjektiven Kriterien spricht zunächst der weitgefasste Wortlaut des § 184i  StGB. Dieser verlangt lediglich, dass die belästigende Berührung überhaupt einen Sexualbezug aufweist („in sexuell bestimmter Weise“), schränkt aber die hierfür maßgeblichen Umstände in keiner Weise ein. Es kommt hinzu, dass beide Vorschriften – unmittelbar aufeinanderfolgend – im 13. Abschnitt des Strafgesetzbuchs geregelt sind und einheitlich dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung dienen.

Weiter spricht für die Übertragung der zu § 184 h Nummer 1 StGB entwickelten Grundsätze auf den Straftatbestand der sexuellen Belästigung das Anliegen des Gesetzgebers, mit § 184i StGB solche Handlungen zu pönalisieren, die mangels Erreichen der Erheblichkeitsgrenze zwar keine sexuellen Handlungen iSd § 184 h StGB darstellen, aber gleichwohl sexuell belästigend wirken (vgl. BT-Drs. 18/9097, 30). Der Gesetzgeber sah sich also maßgeblich durch die Erheblichkeitsgrenze des § 184h Nummer 1 StGB veranlasst, den Tatbestand der sexuellen Belästigung einzuführen, um auch weniger gravierende Handlungsformen strafrechtlich zu erfassen (ebenso BGH, NStZ-RR 2017, S. 277 und NStZ 2018,Seite 91= StV 2018, Seite 238. Ausgehend von diesem Anliegen ist es jedoch folgerichtig, den – von der Erheblichkeitsfrage zu trennenden – Sexualbezug der Berührung so zu bestimmen wie bei der sexuellen Handlung gem. § 184 h Nummer 1 StGB, zumal der Gesetzgeber diesbezüglich keinen ergänzenden Regelungsbedarf sah.

Einer solchen Auslegung steht nicht die weitere Gesetzesbegründung zu § 184 i Absatz 1 StGB entgegen, wonach eine Berührung in sexuell bestimmter Weise erfolge, wenn sie sexuell motiviert sei; dies liege nahe, wenn der Täter das Opfer an den Geschlechtsorganen berühre oder Handlungen vornehme, die typischerweise eine sexuelle Intimität zwischen den Beteiligten voraussetze (BT-Drs. 18/9097, 30).

Danach wäre der Sexualbezug einer Berührung grundsätzlich anhand der subjektiven Tatseite zu bestimmen und müsste stets mit einer sexuellen Motivation des Täters einhergehen; die äußere Handlung könnte lediglich als Beweisanzeichen für eine entsprechende Motivation herangezogen werden (vgl. zu einem entsprechenden Verständnis der Gesetzesbegründung Hörnle, NStZ 2017, S.13). Eine solche maßgeblich mit der Tätermotivation verknüpfte Auslegung stünde jedoch in Widerspruch zu Sinn und Zweck des § 184 i StGB. Schutzgut dieser Vorschrift ist das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung (vgl. BT-Drs. 18/9097, 30; MüKoStGB/Renzikowski, § 184 i Rn.1; NK-StGB/Frommel, 5. Aufl., § 184 i Rn.2; SK-StGB/Noltenius, § 184 i Rn. 2). Verlangte man für die Strafbarkeit aber stets eine sexuelle Tätermotivation, würde dies den Tatbestand der sexuellen Belästigung in erheblichem Maße einschränken, da gerade bei den von § 184i StGB ins Auge gefassten Berührungen (vgl. BT-Drs. 18/9097, 29 f.: ua flüchtiger Griff in den Schritt, „Begrapschen des Gesäßes“) häufig keine eigentliche sexuelle Motivation des Täters – insbesondere in Form eines angestrebten Lustgewinns – feststellbar sein wird. Vielmehr werden solche Berührungen oftmals aus anderen Gründen erfolgen, etwa um das Gegenüber zu belästigen, zu demütigen oder durch Distanzlosigkeit zu provozieren. An der Beeinträchtigung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung ändert sich hierdurch aber nichts.

Dementsprechend steht es nach ständiger Rechtsprechung bei Verhaltensweisen, die bereits nach ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen, der Annahme einer sexuellen Handlung gem. § 184h Nummer 1 StGB nicht entgegen, dass der Täter nicht von sexuellen Absichten geleitet ist, sondern aus Wut, Sadismus, Scherz oder zur Demütigung seines Opfers handelt (vgl. BGHSt 60, Seite 52=NJW 2014, Seite 3737= NStZ 2015, Seite 33); BGH, NStZ-RR 2008, SEitte 339; BGHSt 39, Seite 212=NJW 1993, Seite 2252= BGHR StGB § 178 Abs. 1 sexuelle Handlung 6; BGH, NStZ 1983, Seite 167, BGHSt 29, Seite 336; KoStGB/Hörnle, § 184 h Rn. 7 mwN). Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des Senats auch für die Auslegung von § 184i Absatz 1 StGB, soweit es sich um eine bereits nach den äußeren Umständen sexualbezogene Berührung handelt. Der teilweise in eine andere Richtung weisenden Gesetzesbegründung ist keine bewusste Abkehr von den vorgenannten Grundsätzen zu entnehmen. Der Gesetzgeber hatte Fallgestaltungen äußerlich eindeutig sexualbezogener Körperkontakte bei fehlender sexueller Motivation offenbar lediglich nicht im Blick.

Auch eine rein objektive Auslegung, nach der sich der Sexualbezug allein aus dem äußeren Erscheinungsbild der Berührung als solcher ergeben müsse (vgl. MüKoStGB/Renzikowski, § 184 i Rn.8; Hörnle, NStZ 2017, Seite 13]; ähnlich SK-StGB/Noltenius, § 184 i Rn. 6 und Hoven/Weigend, JZ 2017, Seite 182), würde den gesetzgeberischen Zweck der Vorschrift verfehlen. Gerade im Bereich von Körperkontakten unterhalb der Erheblichkeitsgrenze des § 184h Nummer 1 StGB sind zahlreiche Formen äußerlich ambivalenter Berührungen denkbar, die aber bei Kenntnis aller Umstände, unter Berücksichtigung des gesamten Handlungsrahmens und nach ihrem sozialen Sinngehalt in einem eindeutigen sexuellen Kontext erscheinen. Hierbei können insbesondere sexuelle Absichten des Täters (etwa gezieltes Herandrängen an eine andere Person in öffentlichen Verkehrsmitteln, um sich hieran zu erregen – vgl. hierzu Fischer, § 184 i Rn. 5) oder flankierende Äußerungen (vgl. BGH, NStZ 2002, Seite 431; StV 1997, Seite 524) von Bedeutung sein.

Eine Berührung in sexuell bestimmter Weise ist demnach zu bejahen, wenn sie einen Sexualbezug bereits objektiv, also allein gemessen an dem äußeren Erscheinungsbild, erkennen lässt. Darüber hinaus können auch ambivalente Berührungen, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein. Dabei ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalls kennt; hierbei ist auch zu berücksichtigen, ob der Täter von sexuellen Absichten geleitet war. Insofern gilt im Rahmen von § 184i StGB nichts anderes als bei der Bestimmung des Sexualbezugs einer Handlung gem. § 184h Nummer 1 StGB.

Gemessen daran ist die Annahme des LG, die Angekl. habe den Tatbestand des § 184i StGB objektiv und subjektiv erfüllt, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Die Angekl. hat die Geschädigte nach den Urteilsfeststellungen gezielt in den Schritt – also in den Bereich des primären Geschlechtsorgans – gekniffen. Hierdurch ergibt sich bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild ein Bezug zum Geschlechtlichen (vgl. für Berührungen im Bereich der primären Geschlechtsorgane im Ergebnis übereinstimmend: BT-Drs. 18/9097, 30; Fischer, § 184 i Rn. 4; MüKoStGB/Renzikowski, § 184 i Rn. 8; Hörnle, NStZ 2017, S.13). Dieser sexuelle Bezug wurde, ohne dass es hierauf noch maßgeblich ankäme, verstärkt durch die begleitende Äußerung der Angekl., aus welcher sich ergibt, dass gerade die Intimsphäre der Geschädigten als Reaktion auf die eigene, als störend empfundene körperliche Durchsuchung verletzt werden sollte.

Da sich eine Berührung in sexuell bestimmter Weise bereits hinreichend aus den äußeren Umständen ergibt, ist es unerheblich, dass keine sexuelle Motivation der Angekl. festgestellt ist, sondern sie naheliegend allein aus Renitenz und zur Provokation der Geschädigten handelte.

Die Angekl. hat die Geschädigte durch das Kneifen in den Schritt auch iSv § 184 Absatz 1 StGB belästigt. Im Rahmen dieser Vorschrift reicht nicht jede Form von subjektiv empfundener Beeinträchtigung als tatbestandsrelevante Belästigung aus. Angesichts des Schutzguts der im 13. Abschnitt verorteten Strafnorm und ihrer amtlichen Überschrift muss es sich vielmehr gerade um eine „sexuelle Belästigung“ handeln, bei welcher die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers tangiert ist (vgl. BT-Drs. 18/9097, 30; Fischer, § 184 i Rn. 6; BeckOK StGB/Ziegler, § 184 i Rn. 8 ). Eine solche sexuelle Belästigung ist dem angefochtenen Urteil hinreichend zu entnehmen, da festgestellt ist, dass die Geschädigte den Vorfall als peinlich empfand und sich ekelte.

Da die Berührung im Schritt der Geschädigten ohne Weiteres geeignet war, sexuell belästigend zu wirken, braucht der Senat vorliegend nicht zu entscheiden, ob es allein auf das individuelle Empfinden des Tatopfers ankommt (idS Fischer, § 184 i Rn. 6; BeckOK StGB/Ziegler, § 184 i Rn. 7; Hoven/Weigend, JZ 2017, Seite 182; so auch für § 183 StGB LK-StGB/Laufhütte/Roggenbuck, 12. Aufl., § 183 Rn. 4) oder ob zusätzlich eine aus objektiver Perspektive zu bestimmende Eignung zur Belästigung vorliegen muss (vgl. MüKoStGB/Renzikowski, § 184 i Rn. 10; SK-StGB/Noltenius, § 184 i Rn. 6; eine objektive Eignung der Handlung zur Belästigung wird teils auch im Rahmen von § 183 StGB gefordert: vgl. MüKoStGB/Hörnle, § 183 Rn. 12; Heger in Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 183 Rn. 3). Angesichts der tatbestandlichen Reichweite von § 184i StGB neigt der Senat jedoch der Auffassung zu, dass es nicht allein auf das subjektive Empfinden des Opfers ankommt, sondern dass die Berührung auch bei einer wertenden Betrachtung objektiv geeignet sein muss, sexuell belästigend zu wirken (in diese Richtung weist auch die Gesetzesbegründung, wonach bloße Ärgernisse, Ungehörigkeiten oder Distanzlosigkeiten „nicht ohne Weiteres dazu geeignet seien, die sexuelle Selbstbestimmung zu beeinträchtigen“, BT-Drs. 18/9097, 30).

Die Angekl. S handelte auch vorsätzlich. Insoweit reicht es aus, dass sich der Täter des sexuellen Charakters seines Tuns bewusst ist (vgl. BGH, BGHR StGB § 184 i Abs. 1 Tathandlung 1 ) zum Begriff der sexuellen Handlung BGHSt 60, Seite 52]; BGHSt 39, Seite 212 = NJW 1993, Seite 2252= BGHR StGB § 178 Abs. 1 sexuelle Handlung 6; Fischer, § 184 h Rn. 10; MüKoStGB/Renzikowski, § 184 h Rn.7). Ein entsprechender Vorsatz ist den Feststellungen zu entnehmen und im Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe belegt, da die Angekl. der Geschädigten gezielt in den Schritt kniff und den Sexualbezug bewusst durch ihre begleitende Äußerung unterstrich.

Allerdings lässt das angefochtene Urteil die gebotene Auseinandersetzung damit vermissen, dass eine Strafbarkeit wegen sexueller Belästigung nach § 184 i Absatz 1 StGB ausscheidet, wenn die Tat in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

Aus der uneingeschränkt auf „andere Vorschriften“ verweisenden Subsidiaritätsklausel ergibt sich, dass § 184i StGB von allen Strafvorschriften mit schwererer Strafandrohung verdrängt wird und nicht nur von solchen des 13.Abschnitts des Strafgesetzbuchs (vgl. Fischer, § 184 i Rn. 16; MüKoStGB/Renzikowski, § 184 i Rn. 14; SK-StGB/Noltenius, § 184 i Rn. 13). Zwar verweist die Gesetzesbegründung in diesem Zusammenhang nur auf Straftatbestände, die eine mit § 184i StGB „vergleichbare Schutzrichtung aufweisen“ (BT-Drs. 18/9097, 30). Dieser gesetzgeberische Wille hat aber im Wortlaut des § 184i StGB keinen Niederschlag gefunden und ist damit unbeachtlich, da der Wortlaut die äußerste Grenze der Auslegung ist (vgl. SK-StGB/Noltenius, § 184 i Rn. 13; MüKoStGB/Renzikowski, § 184 i Rn.14, vgl. zur entsprechend weiten Auslegung der Subsidiaritätsklausel im Rahmen von § 246 Absatz1 StGB: BGHSt 47,  Seite 243; so auch zu § 125 StGB StGB aF: BGHSt 43, Seite 237] = NJW 1998, Seite 465).

Im angefochtenen Urteil werden, obwohl sich dies aufgedrängt hat, etwaige vorrangige Tatbestände nicht geprüft. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die Angekl. S die Geschädigte „schmerzhaft“ kniff, was das Vorliegen einer Körperverletzung gem. § 223 Absatz1  StGB – dieses Delikt ist mit schwererer Strafe bedroht als § 184i Absatz 1 StGB – nahelegt. Dass es sich um eine bloß unerhebliche körperliche Einwirkung handelte (vgl. hierzu BGHSt 53, Seite 145, BGH, NStZ 2007, S.404; MüKoStGB/Joecks, § 223 Rn. 22ff.), ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Hierüber vermag der Senat nicht abschließend zu befinden, zumal das Urteil auch keine Beweiswürdigung zum Schmerzempfinden der Geschädigten enthält.

Die Verurteilung nach § 184i  StGB anstatt (möglicherweise) nach § 223 Absatz1 StGB beschwert die Angekl. trotz des höheren Strafrahmens der letztgenannten Vorschrift.

Aus einem zu milden Schuldspruch ergibt sich dann eine Beschwer, wenn das vom Tatrichter angewandte Strafgesetz völlig verschieden ist von demjenigen, welches in Wahrheit verletzt wurde (vgl. BGHSt 8, Seite 34 = NJW 1955, Seite 1407; Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 354 Rn. 22; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 354 Rn. 17). Dies muss auch gelten, wenn der Strafbarkeit lediglich die formelle Subsidiarität einer Vorschrift entgegensteht, da auch das Nichteingreifen der Subsidiaritätsklausel Voraussetzung der Strafbarkeit ist.

Dementsprechend kann hier der Schuldspruch wegen sexueller Belästigung keinen Bestand haben, da sich die Schutzgüter von § 184i StGB und dem möglicherweise verwirklichten § 223 StGB – namentlich die sexuelle Selbstbestimmung und die körperliche Unversehrtheit – deutlich voneinander unterscheiden. Zudem stellt die Strafkammer in ihren Strafzumessungserwägungen zum zweiten Tatkomplex allein auf Gesichtspunkte ab, welche mit dem Vorliegen eines gegen die sexuelle Selbstbestimmung gerichteten Straftatbestandes in Zusammenhang stehen. Auch wenn die Verwirklichung eines formell subsidiären Delikts bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden kann (vgl. BGHSt 6, Seite 25 = NJW 1954, Seite 810,  BGH, Beschl. v. 16.9.2010 – Fischer, vor § 52 Rn. 45), vermag der Senat nicht auszuschließen, dass sich die Strafkammer angesichts der nicht unbeträchtlichen Strafhöhe gerade von einem entsprechenden Schuldspruch wegen sexueller Belästigung hat leiten lassen.

Rechtsanwalt Vergewaltigung Berlin: Keine Strafschärfung durch die Erfüllung des Tatbestandes der Vergewaltigung selbst

Rechtsanwalt Vergewaltigung Berlin Anwalt Fachanwalt

Als Rechtsanwalt in Berlin und Fachanwalt für Strafrecht erlebe ich oft, dass die Erfüllung eines Tatbestandes als unzulässiges Strafkriterium herangezogen wird, insbesondere in Fällen mit dem Vorwurf der Vergewaltigung Rechtsanwalt Vergewaltigung Berlin Anwalt Fachanwalt

Rechtsanwalt Vergewaltigung Berlin: Keine Strafschärfung durch die Erfüllung des Tatbestandes der Vergewaltigung selbst

Als Rechtsanwalt in Berlin verteidige ich seit über 22 Jahren in Verfahren mit dem Vorwurf der Vergewaltigung, seit 2001 bin ich Fachanwalt für Strafrecht in Berlin. In dem unten dargestellten Urteil geht es erneut um die eigentlich selbstverständlich zu verneinende Frage, ob die Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes (hier: Vergewaltigung) schon für scih genommen eine höhere Strafe zulässt. Als Anwalt erlebe ich diese Situation häufig, ob wohl die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie auch das Gesetz eindeutig ist:

 

BGH (1. Strafsenat), Beschlussvom 28.06.2018- 1 StR171/18

Auch nach neuem Recht darf der Umstand, dass der Angeklagte die Tat gegen den Willen des Opfers begangen hat, nicht zu einer Strafverschärfung führen.

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 20. November 2017  a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass

aa) der Angeklagte im Fall B.6. der Urteilsgründe wegen Vergewaltigung verurteilt ist,

bb) im Fall B.7. der Urteilsgründe die tateinheitlichen Verurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Bedrohung entfallen und er wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt ist;

b) im Strafausspruch aufgehoben

aa) soweit die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten (u.a. für die Fälle B.1.-4. der Urteilsgründe) nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,

bb) hinsichtlich der für die Fälle B.6. und B.7. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen sowie der (weiteren) Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren (für die Taten B.5.-7. der Urteilsgründe).

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen drei Fällen der vorsätzlichen Körperverletzung, in einem davon in Tateinheit mit Bedrohung, sowie wegen Bedrohung in zwei tateinheitlichen Fällen (Fälle B.1.-4. der Urteilsgründe) unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung und Auflösung der dortigen Gesamtfreiheitsstrafe zu einer (ersten) Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Darüber hinaus ist er wegen vorsätzlicher Körperverletzung, wegen sexueller Nötigung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung sowie mit Bedrohung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Fälle B.5.-7. der Urteilsgründe) schuldig gesprochen und gegen ihn eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt worden.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit mehreren ausgeführten sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel erzielt lediglich den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg . Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Absatz 2 StPO.

. Den zu sämtlichen verfahrensgegenständlichen Taten getroffenen Feststellungen liegt bei Anlegung des einschlägigen revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (siehe nur BGH, Urteil vom 22. November 2016,1 StR 194/16  eine jeweils rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung zugrunde. Die Revision zeigt mit ihrem Vorbringen weder Lücken noch Widersprüche in der tatrichterlichen Würdigung auf. Das Landgericht konnte seine Überzeugung von der Glaubhaftigkeit der Aussagen der geschädigten Zeugin D. insgesamt gerade auch darauf stützen, dass deren Angaben in einem Teil der Fälle durch andere Beweismittel Bestätigung gefunden haben.

Nach den zum Fall B.6. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte gegen den von ihm erkannten entgegenstehenden Willen der Zeugin D. vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollzogen und damit das Regelbeispiel aus § 177 Absatz 6 Nummer 1 verwirklicht. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend aufgezeigt hat, muss deshalb der Schuldspruch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (etwa BGH, Beschluss vom 22. März 2017, 3 StR 475/16 ) auf „Vergewaltigung“ statt auf „sexuelle Nötigung“ lauten. Der Senat hat die entsprechende Abänderung selbst vorgenommen.

Im Fall B.7. der Urteilsgründe hält der auf „gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis“ lautende Schuldspruch in mehrfacher Hinsicht rechtlicher Überprüfung nicht stand. Dies bedingt Änderungen des Schuldspruchs und die Aufhebung des Einzelstrafausspruchs sowie der unter dessen Einbeziehung gebildeten Gesamtstrafe von drei Jahren.

Die zugehörigen Feststellungen belegen nicht die Voraussetzungen einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Absatz 1 Nummer 2 StGB. Ein gefährliches Werkzeug im Sinne der vorgenannten Vorschrift ist jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung im konkreten Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (st. Rspr.; BGH aaO Rn. 17 mwN). Eine solche Eignung des vom Angeklagten in der Hand gehaltenen Cutter-Messers nach dessen konkreter Verwendung lassen die Urteilsgründe nicht erkennen. Nach den Feststellungen versetzte der Angeklagte der geschädigten Zeugin D. zu verschiedenen Zeitpunkten innerhalb eines einheitlichen Geschehens in einem Kraftfahrzeug zahlreiche Schläge mit der flachen Hand oder dem Handrücken in das Gesicht. Bei einem dieser Schläge hat er ein ansonsten als Drohmittel verwendetes Cutter-Messer in der Hand gehalten, so dass es zu einer Verletzung am Augenlid der Zeugin gekommen ist (UA S. 15).Rechtsanwalt Vergewaltigung Berlin Anwalt Fachanwalt

Dem kann ein Einsatz des Messers als Stich- oder Schnittwerkzeug nicht entnommen werden, was regelmäßig die erforderliche Eignung begründen würde. Auch lassen weder die Feststellungen noch die sonstigen Urteilsgründe erkennen, dass der Angeklagte das Cutter-Messer bei Ausführung des Schlages in der Hand gehalten hat, um die Schlagwirkung lediglich eines einzelnen von insgesamt wenigstens 20 Schlägen (UA S. 15) zu verstärken. Die Verletzungsfolge wird als Kratzer am rechten Augenlid beschrieben. Daraus kann daher nicht auf die erforderliche Eignung der konkreten Verletzungshandlung, erhebliche Verletzungen herbeizuführen, geschlossen werden. Den Darlegungen des Landgerichts zur „Beweisaufnahme“ und zur Beweiswürdigung zu dieser Tat lassen sich ebenfalls keine weitergehenden Umstände entnehmen, die die Eignung des fraglichen konkreten Schlages zur Herbeiführung erheblicher Verletzungen begründen könnten.

Da die geschädigte Zeugin D. sich bereits an die Anzahl der erlittenen Schläge nicht mehr näher zu erinnern vermochte (UA S. 37) und die Verletzungsfolge, als Grundlage für einen Rückschluss auf die erforderliche Eignung, nicht über einen Kratzer am Augenlid hinausgegangen ist, schließt der Senat die Möglichkeit weitergehender Feststellungen aus, die noch die Voraussetzungen der Qualifikation aus § 224 Absatz 1 Nummer 2 StGB begründen können. Er lässt daher in entsprechender Anwendung von § 354 StPOStPO die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung entfallen und ändert den Schuldspruch insoweit in eine vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 StGB) ab. Deren Voraussetzungen sind durch die getroffenen Feststellungen belegt.

§ 265 StPO  StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können.Rechtsanwalt Vergewaltigung Berlin Anwalt Fachanwalt

Die zusätzliche tateinheitliche Verurteilung wegen Nötigung und Bedrohung kann ebenfalls nicht bestehen bleiben. Auf der Grundlage der Feststellungen bestand die Nötigungshandlung des Angeklagten darin, der Geschädigten das Cutter-Messer an den Hals gehalten und sie – erfolgreich – zum Ruhigsein aufgefordert zu haben. Werden Nötigung und Bedrohung (§§ 240,241 StGB) wie hier durch dieselbe Handlung verwirklicht, tritt die Bedrohung gesetzeskonkurrierend zurück (……..)

Der Wegfall der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung entzieht der für die Tat B.7. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe die Grundlage.

Die Bemessung der Einzelstrafe im Fall B.6. der Urteilsgründe enthält einen durchgreifenden Rechtsfehler bereits bei der Bestimmung des anwendbaren Strafrahmens. Das Landgericht hat von der Regelwirkung des § 177 Absatz 6, Satz 2 , Nummer 2  im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung auch deshalb nicht abgesehen, weil der Angeklagte „sich gegen den erkennbaren Willen der Zeugin genommen (habe), was er meinte einfordern zu dürfen“ (UA S. Das Handeln gegen den erkennbar entgegenstehenden Willen des Opfers ist aber bereits für die Verwirklichung des Grundtatbestands gemäß § 177 Absatz 1 StGB erforderlich und kann daher als solches  nicht als strafschärfender Aspekt berücksichtigt werden. Angesichts der sonstigen vom Landgericht herangezogenen Strafzumessungskriterien vermag der Senat nicht auszuschließen, dass es ohne den Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot zu einem anderen Ergebnis bei der Strafrahmenbestimmung gelangt wäre. Rechtsanwalt Vergewaltigung Berlin Anwalt Fachanwalt

Die Aufhebung der beiden vorgenannten Einzelstrafen bedingt auch die Aufhebung der Gesamtstrafe für die Taten B.5.-7. der Urteilsgründe.

 Die Ablehnung der Aussetzung der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten zur Bewährung erweist sich selbst unter Berücksichtigung der lediglich begrenzten revisionsgerichtlichen Überprüfung tatrichterlicher Aussetzungsentscheidungen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 –StraFo 2016, 425 und Urteil vom 6. Juli 2017, 4 StR 415/16) als durchgreifend fehlerhaft.

Das Landgericht hat die Ablehnung ausschließlich auf das Fehlen besonderer Umstände im Sinne von § 56 Absatz 2 StGB gestützt, ohne eine Legalprognose gemäß § 56 Absatz 1 StGB  zu stellen. Damit hat es aber seine Grundlage für die Beurteilung „besonderer Umstände“ rechtsfehlerhaft verkürzt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Frage einer günstigen Prognose auch für die Beurteilung bedeutsam sein, ob Umstände von besonderem Gewicht vorliegen (es folgen weitere Zitate)  Dass vorliegend eine weitere, nicht aussetzungsfähige Gesamtstrafe verhängt worden ist, ändert an diesen Anforderungen grundsätzlich nichts, zumal die zweite Gesamtstrafe ihrerseits nicht rechtsfehlerfrei gebildet worden ist.

16Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Entscheidung über die Aussetzung der ersten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Über die Aussetzungsfrage kann der neue Tatrichter unabhängig von den zugrunde liegenden Schuld- und sonstigen Strafaussprüchen befinden.

Gegebenenfalls wird er ergänzende, für die Prognose gemäß § 56 Absatz 1 StGB  StGB bedeutsame Feststellungen zu treffen haben.