Anwalt für Sexualstrafrecht in Berlin, Fachanwalt für Strafrecht und Strafverteidiger mit über 25 Jahren Erfahrung im Sexualstrafrecht.

Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen bei der Verteidigung von Sexualdelikten in „Aussage gegen Aussage“-Konstellationen

Der Bundesgerichtshof (4 StR 197/23) hat ein Urteil des Landgerichts Bochum aufgehoben, das sich als fehlerhaft im Umgang mit einer belastenden Aussage in der Konstellation „Aussage gegen Aussage“ befasst hatte. Zum einen hatte sich das Landgericht nicht ausreichend mit dem Umstand befasst, dass die Zeugin nach eigenen Angaben teilweise Falschaussagen gemacht hatte. Zum anderen hatte das Gericht die Aussage der Zeugin nicht in ihrer ganzen Entstehung dargestellt.

Zusätzlich hat das Gericht keinerlei Überlegungen angestellt, dass die Psychotherapie der Zeugin und innerfamiliäre Einflüsse suggestiv auf die Zeugin gewirkt haben könnten.

Alle drei Rechtsfehler kommen in Fällen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs immer wieder vor.

Als Verteidiger in Sexualstrafsachen habe ich diese Erfahrung schon vor vielen Jahren machen müssen. Glücklicherweise hat die strenge Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in vielen Fällen dazu geführt, dass Urteile, in denen man Zeugen auf „Biegen und Brechen“ glauben wollte, aufgehoben und zur Neuverhandlung gebracht wurden.

Anwalt für Sexualstrafrecht in Berlin, Fachanwalt für Strafrecht und Strafverteidiger mit über 25 Jahren Erfahrung im Sexualstrafrecht.

Anklage wegen Vergewaltigung: Verurteilt werden kann nur, was wirksam zur Verhandlung zugelassen wurde

Auch wenn es in diesem Fall dem Angeklagten keinen wirklichen Erfolg verschafft hat, handelt es sich um einen Klassiker des Strafprozessrechts: Das Landgericht hat einen Eröffnungsbeschluss gefasst, den nicht alle Mitglieder der urteilenden Strafkammer unterzeichnet haben.

Damit war der Beschluss, mit dem eine zweite Anklage zur Verhandlung zugelassen wurde, unwirksam und das Verfahren musste insoweit eingestellt werden.

Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15. Mai 2024

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Auch in Sexualstrafverfahren gilt das Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen

Das Landgericht Bochum hat einen Mann wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Das Urteil wurde zu Recht durch den Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 23. April 2024 aufgehoben. Denn das Landgericht hat, anders als in § 46 Absatz 3 StGB geregelt, Umstände zu seinen Lasten gewertet, die allein Voraussetzungen des angeklagten Straftatbestandes sind.

Insbesondere bei der Verteidigung gegen den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern kommt es immer wieder vor, dass Umstände, die die Strafbarkeit überhaupt erst begründen, strafschärfend berücksichtigt werden. Im hiesigen Fall wurde das Alter des Kindes ohne Weiters als Grund für eine Strafschärfung herangezogen. Das ist fehlerhaft. Der BGH fasst des kurz zusammen:

„Anderenfalls ginge zu Lasten des Angeklagten, dass er die Tat überhaupt begangen hat.“

Bei der Verteidigung in Fällen des sexuellen Missbrauchs ist dieser Rechtsfehler immer wieder zu beanstanden. Leider greift der BGH nicht immer so konsequent durch wie in diesem Fall.

Ansprüche an die Beweiswürdigung bei der Konstellation „Aussage gegen Aussage“

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 16. Januar 2024 ein Urteil des Landgerichts Bielefeld aufgehoben (4 StR 428/23).

Hintergrund war der Vorwurf einer Reihe von Sexualstraftaten des Angeklagten an einer Person. Der Angeklagte hat die Taten bestritten. Hauptbeweismittel war die vermeintlich geschädigte Zeugin.

Der BGH hat hierzu festgestellt, dass pauschale Feststellungen nicht ausreichen, wenn es um eine Reihe von Taten geht und es die Urteilsgründe der Revisionsinstanz ermöglichen müssen, die Bewertungen des Landgerichts zu überprüfen:

Rechtlichen Bedenken begegnet unter den gegebenen Umständen bereits die knappe Wiedergabe der Aussage der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung, die neben der pauschalen Mitteilung, dass sie das – aus einer Vielzahl von Taten bestehende – Geschehen „wie festgestellt bekundet“ habe, „soweit es ihrer Wahrnehmung unterlag“, lediglich zu einigen der abgeurteilten Taten weitere Details umfasst. Durchgreifend rechtsfehlerhaft ist, dass die Strafkammer, die einen erheblich für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin sprechenden Gesichtspunkt unter anderem in deren Konstanz „über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren“ sieht, die vorangegangenen Aussagen der Nebenklägerin nicht wiedergegeben hat, so dass dem Senat eine Nachprüfung dieser tatrichterlichen Wertung nicht möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2023 – 4 StR162/23 Rn. 7 f.; Beschluss vom 18. November 2020 – 2 StR 152/20 Rn. 8 ff.)

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Das heimliche Abstreifen des Kondoms („Stealthing“) erfüllt den Tatbestand der Vergewaltigung, sagt der Bundesgerichtshof

Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich der Bundesgerichtshof mit dem Thema des „Stealthing“ beschäftigen würde. Nach diversen Amtsgerichten. Landgerichten und Oberlandesgerichten hatte nun der Bundesgerichtshof über einen Fall zu entscheiden, bei dem das Landgericht Düsseldorf einen Mann zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen diverser sexueller Übergriffe verurteilt hatte.

Dabei war die Frage zu entscheiden, wie das heimliche Abstreifen des Kondoms vor oder während des Geschlechtsverkehrs rechtlich zu bewerten ist. Einige Amtsgerichte hatten Angeklagte freigesprochen mit der Argumentation, dass heimliches Handeln mit der Vorschrift des § 177 StGB nicht bestraft werden könne, weil ein Handeln gegen den Willen fehle, wie es § 177 Absatz 1 verlangt.

Mehrere Oberlandesgerichte hatten dem widersprochen und darauf hingewiesen, dass der vor dem Sex erklärte Wille, es nur mit Kondom tun zu wollen, missachtet werde. Damit läge zumindest ein sexueller Übergriff im Sinne des § 177 Absatz 1 StGB vor.

In der Praxis wurden viele Fälle mit den im Vergleich milden Folgen des § 177 Absatz 1 abgeurteilt und mit Geld oder Bewährungsstrafen belegt. Dabei wurde aber das eigentlich wichtigste Thema oft freundlich ignoriert: Mit dem ungeschützten Eindringen könnte ein schwerer Fall der Vergewaltigung im Sinne des § 177 Absatz 6 vorliegen, der eine Mindeststrafe von zwei Jahren (!) bedeutet. (In einem meiner Fälle als Rechtsanwalt für Sexualstrafrecht in Berlin hatte die Staatsanwaltschaft tatsächlich eine Strafe von drei Jahren wegen schwerer Vergewaltigung erwogen, das Gericht sprach den Angeklagten dann aber frei.)

In der Begründung  der Amtsgerichte wird oft darauf abgestellt, dass die hohe Strafe des § 177 Absatz 6 StGB  Strafe nicht passe, da es sich ja im Kern um einvernehmlichen Sex handele. Der Bundesgerichtshof hat nun in einer kurzen aber klaren Bemerkung klargestellt, dass in der Regel die Anwendung des härteren Rechts nach Absatz 6 möglich ist:

Es bedarf hier keiner Erörterung, dass grundsätzlich die Verwirklichung des Regelbeispiels nach § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB in Betracht kommt (vgl. dazu KG, Beschluss vom 27. Juli 2020 – [4] 161 Ss 48/20 [58/20], OLGSt StGB § 177 Nr. 5 S. 17; BayObLG, Beschluss vom 20. August 2021 – 206 StRR 87/21, juris Rn. 39; Hoffmann, NStZ 2019, 16, 17 f.).

Nehmen Sie diesen Vorwurf der Vergewaltigung daher ernst, auch wenn es nur um das Abstreifen eines Kondoms handelt. Kleine juristische Unterschiede können über Jahre entscheiden. Lassen Sie sich daher von 25 Jahren Erfahrung als Berliner Verteidiger in Sexualstrafsachen beraten, wie eine gute und erfolgreiche Verteidigung aufgebaut wird.

Hier kann der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13. Dezember 2022 nachgelesen werden.

Anwalt für Sexualstrafrecht in Berlin, Fachanwalt für Strafrecht und Strafverteidiger mit über 25 Jahren Erfahrung im Sexualstrafrecht.

Das Leugnen eines Tatvorwurfes oder die Behauptung eines günstigeren Tatverlaufes darf auch in Sexualstrafsachen nicht strafschärfend berücksichtigt werden.

Im Sexualstrafrecht, gleichgültig ob der Vorwurf der Vergewaltigung, des Missbrauchs oder eines sexuellen Übergriffs im Raum steht, müssen Selbstverständlichkeiten oft mit verteidigt werden. Das zeigt diese Entscheidung des Bundesgerichtshofes, in der ein Urteil wegen des verhängten Strafmaßes aufgehoben wurde. Denn es ist das Recht eines jeden Angeklagten, und das gilt auch im Sexualstrafrecht, sich mit dem Abstreiten des Vorwurfs zu verteidigen oder Umstände zu schildern, die sein Verhalten – aus seiner Sicht – nachvollziehbar erscheinen lassen.

Das Landgericht hatte dem Angeklagten, der wegen Vergewaltigung angeklagt war, vorgeworfen, dass er eine sexuelle Erregung der Zeugin behauptet hatte und damit eine Strafschärfung begründet.

Der Bundesgerichtshof stellt hierzu fest:

„Die strafschärfende Bewertung dieser Bemerkung ist rechtsfehlerhaft, weil es sich um zulässiges Verteidigungsverhalten handelt. Der Angeklagte ist nicht der Wahrheit verpflichtet, so dass es ihm freisteht, sich zu verteidigen, indem er die Täterschaft leugnet oder eine ihm günstigere Sachverhaltsvariante behauptet.“
(vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2021 – 3 StR 411/21 mwN; vom 4. Mai 2022 – 6 StR 155/22; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 675).

Hier kann der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18. Oktober 2022 nachgelesen werden.

Verteidigung in Sexualstrafsachen braucht Fachkenntnis und Ausdauer. Insbesondere muss die Verteidigung sicherstellen, dass alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten zugunsten des Mandanten ausgeschöpft werden. Neben allen Fachkenntnissen ist Erfahrung dabei der beste Ratgeber. Verlassen Sie sich auf Beides: Sachkunde und Erfahrung in Sexualstrafsachen seit 1997.

Rechtsanwalt sexueller Missbrauch Berlin: Entscheidung des BGH zum Sexualstrafrecht bei nicht öffentlicher Verhandlung

Rechtsanwalt sexueller Missbrauch Berlin Strafverfahren Sexualstrafrecht

Rechtsanwalt sexueller Missbrauch Berlin: Entscheidung des BGH zum Sexualstrafrecht bei nicht öffentlicher Verhandlung

Der Bundesgerichtshof hatte über die Revision eines Angeklagten zu entscheiden, bei der weitgehend ohne Öffentlichkeit verhandelt wurde. Als Rechtsanwalt in Berlin für den Bereich sexueller Missbrauch eine kurze Anmerkung: Strafverfahren auch in Sexualstrafsachen des sexuellen Missbrauchs sind werden der Regel öffentlich verhandelt. Zum Schutz des persönlichen Lebensbereichs der Beteiligten Zeugen oder auch -wie hier- des Angeklagten erlaubt das Gesetz den Auschluss der Öffentlichkeit. Das muss aber, so stellt es der Bundesgerichtshof hier fest, auch für die Plädoyers und vor allem das letzte Wort des Angeklagten -besonders wie hier bei dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs- gelten. Denn es ist nicht auszuschließen, dass ein Angeklagter in einem Verfahren ohne den Druck der Öffentlichkeit im letzten Wort Angaben macht, die er vor der Öffentlichkeit gerade nicht machen würde, dies aber  zu einer milderen Bestrafung hätte führen können.

 

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
5 StR 530/19
vom
27. November 2019
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. November 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 6. Juni 2019 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Übergriff und mit Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Übergriff und mit Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen sowie wegen Sichverschaffens kinder-pornographischer Schriften in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, von der es vier Monate wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für bereits vollstreckt erklärt hat. Die dagegen gerichte-te und auf die Rüge der Verletzung formellen sowie materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit einer Verfahrensrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Während der Schuldspruch von den rechtsfehlerfreien Feststellungen getragen wird, führt die Revision des Angeklagten mit der Rüge einer Verletzung von § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG zur Aufhebung des Strafausspruchs.

1. In der Hauptverhandlung wurde die Öffentlichkeit während der Vernehmung des Angeklagten zur Sache ausgeschlossen, weil zu erwarten sei, dass hierbei Umstände aus dem Intimbereich des Opfers und des Angeklagten zur Sprache kommen würden, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen sowohl des Opfers als auch des Angeklagten verletzen könnten. Der Angeklagte machte danach Angaben zur Sache. Bei den Schlussanträgen und beim letzten Wort des Angeklagten war die Öffentlichkeit hergestellt.
2. Es liegt ein Verstoß gegen § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG vor. Nach dieser Vorschrift wäre die Öffentlichkeit während der Schlussanträge zwingend auszu-schließen gewesen, nachdem Teile der Hauptverhandlung zuvor unter Aus-schluss der Öffentlichkeit stattgefunden hatten. Die Regelung des § 171b Abs. 5 GVG i.V.m. § 336 Satz 2 StPO steht der vom Angeklagten erhobenen Rüge dabei nicht entgegen (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 12. November 2015 – 2 StR 311/15, NStZ 2016, 180 mit Anmerkung Arnoldi).
a) Auf dem dargelegten Verfahrensfehler kann allerdings der Schuld-spruch nicht beruhen. Angesichts des vollumfänglichen Geständnisses des An-geklagten sowie der Bildaufnahmen seiner Taten kann der Senat ausschließen, dass der Verteidiger oder der Angeklagte in nichtöffentlichen Schlussvorträgen noch Erhebliches hätten vorbringen können, das den Schuldspruch hätte infrage stellen können.  Rechtsanwalt sexueller Missbrauch Berlin

b) Dagegen kann der Strafausspruch auf dem Verfahrensfehler beruhen. Es ist möglich, dass jedenfalls der Angeklagte, wäre ihm das letzte Wort unter Ausschluss der Öffentlichkeit erteilt worden, Ausführungen gemacht hätte, die die Strafzumessung zu seinen Gunsten beeinflusst hätten. Trotz der durch den Generalbundesanwalt zutreffend als überaus maßvoll bezeichneten Strafen kann ein Beruhen des Strafausspruchs auf den Verfahrensfehler nicht völlig ausgeschlossen werden. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Rechtsanwalt sexueller Missbrauch Berlin

3. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen werden durch den Verfahrensfehler nicht berührt. Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bestehenden nicht widersprechen.

Keine (doppelte) strafschärfende Berücksichtigung von Tatbestandsmerkmalen bei schwerer Vergewaltigung

Anwalt in Berlin bei Vergewaltigung: aktuelle Rechtsprechung kommentiert

Verteidigung beim Vorwurf der Vergewaltigung: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht in Berlin Ursus Koerner von Gustorf

Verteidigung beim Vorwurf der Vergewaltigung: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht in Berlin Ursus Koerner von Gustorf

Der Bundesgerichtshof hatte über die Revision eines wegen Vergewaltigung angeklagten Mannes zu entscheiden. Verurteilt worden war er wegen eines Falles der besonders schweren Vergewaltigung, weil er bei der Tat ein Messer als Drohmittel eingesetzt haben soll. Dies führt zu einer Mindeststrafe von fünf Jahren. Allerdings darf der zum Vorwurf gehörende Umstand, dass ein Messer eingesetzt wurde, nicht nochmals strafschärfend berücksichtigt werden. Dass Gerichte gerade in Verfahren mit dem Vorwurf der Vergewaltigung zu einer doppelten Verwertung von Umständen zu lasten des Angeklagten neigen, kann ich aus meiner langjährigen Erfahrung als Anwalt in Berlin nur bestätigen.

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3StR 314/19 vom1. Oktober 2019

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts auf dessen Antrag am 1. Oktober 2019 gemäß §349 Abs.2 und4 StPO einstimmig beschlossen:

1.Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts Koblenz vom 29.April 2019 aufgehoben im Ausspruch über

a)die für die Tat zu ZifferII.2. der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe,b)die Gesamtstrafe;jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen auf-rechterhalten.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-verwiesen.2.Die weitergehende Revision wird verworfen.Gründe:Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und be-sonders schwerer Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jah-ren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getrof-fen. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.

Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §349 Abs.2 StPO.I.

1.Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten im FallII.2. der Urteilsgründe -rechtsfehlerfrei-als besonders schwere Vergewaltigung gemäß §177 Abs.8 Nr.1 StGB gewertet. Die Zumessung der für diese Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafe von sieben Jahren hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung nicht stand.Es begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass die Strafkammer die Erwägung, der Angeklagte habe „sich mit dem Küchenmesser versehen und dieses mitgebracht“, strafschärfend gewichtet hat. Damit hat sie einen Umstand berücksichtigt, der schon Merkmal des gesetzlichen Tatbestands ist (§46 Abs.3 StGB). Denn der Angeklagte verwirklichte den Qualifikationstat-bestand des §177 Abs.8 Nr.1 StGB dadurch, dass er zur Durchsetzung sei-nes Vorhabens, sexuelle Handlungen an der Geschädigten auch gegen deren Willen zu vollziehen, aus einer mitgeführten Tasche ein Messer mit einer Klin-genlänge von 17cm nahm und dieses drohend auf die Geschädigte richtete. Diese duldete daraufhin aus Angst, der Angeklagte werde das Messer gegen sie einsetzen, den vaginalen Geschlechtsverkehr. Hat das Verwenden des mit-geführten Messers zur Folge, dass die für diese Tat festzusetzende Strafe dem erhöhten Strafrahmen des §177 Abs.8 StGB zu entnehmen ist, so erweist es sich als eine unzulässige Doppelverwertung, wenn bei der konkreten Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten gewichtet wird, dass er eben dieses Messer mit zum Tatort brachte.Dies gilt hier auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Angeklagte gegen eine gerichtliche Gewaltschutzanordnung verstieß, indem er die Geschädigte in ihrer Wohnung aufsuchte.

Die Aufhebung der für die Tat zu ZifferII.2. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage.

II.Die jeweils zugrunde liegenden Feststellungen sind von dem aufgezeigten Wertungsfehler nicht betroffen und können daher bestehen bleiben (§353 Abs.2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen.

Und nochmal: Der Bundesgerichtshof zur Definition der „Sexuellen Handlung“

Verteidiger für Sexualstrafrecht / sexueller Missbrauch in Berlin-Schöneberg: Ursus Koerner von Gustorf

Verteidiger für Sexualstrafrecht / sexueller Missbrauch in Berlin-Schöneberg: Ursus Koerner von Gustorf

Sexueller Missbrauch durch reines Fotografieren einer Alltagssituation?

Der Bundesgerichtshof hatte im August 2018 über ein teilweise freisprechendes Urteil des Landgerichts Berlin zu entscheiden. Hierbei war die Frage zu klären, ob das Fotografieren eines nackten und entblößten  Kindes in einer alltäglichen Situation als Herstellung von Kinderpornografie strafbar sein kann. (Urteil vom 29. August 2018, 5 StR 147/18 in abgekürzter Fassung)

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Die Ausführungen des Landgerichts in seiner rechtlichen Würdigung lassen besorgen, dass es bei der Beurteilung, ob im Fall 1 – und infolgedessen auch im Fall 3 – der Urteilsgründe eine sexuelle Handlung des Angeklagten vorliegt, von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen ist.

An einem Kind mit Körperkontakt vorgenommene Handlungen sind sexuelle Handlungen, wenn diese bereits objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen. Daneben können aber auch sogenannte ambivalente Tätigkeiten, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein. Insoweit ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt. Dazu gehören auch die Zielrichtung des Täters (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2016 –4 StR 389/16) und seine sexuel-12131415-8-len Absichten (BGH, Urteile vom 10. März 2016 –3 StR 437/15, BGHSt 61, 173, 176; vom 21. September 2016 –2 StR 558/15, NStZ 2017, 528).

Der notwendige Sexualbezug kann sich mithin etwa aus der den Angeklagten leitenden Motivation ergeben, seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen (BGH aaO). Demgegenüber hat das Landgericht darauf abgestellt, dass „der objektive Betrachter der Handlung … zwar alle objektiven Umstände des Einzelfalls, allerdings nicht die Motivation des Handelnden (kennt), es sei denn, dass diese in objektiv wahrnehmbarer Weise zum Ausdruck kommt“ (UA S. 10)

Nach § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB macht sich auch strafbar, wer kinder-pornographische Schriften ausschließlich zum Eigenbedarf herstellt. Eine spätere Verbreitung ist seit der Einfügung der Nummer 3 durch das 49. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10) nicht mehr erforderlich (vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 30; MüKo-StGB/Hörnle, 3. Aufl., § 184b Rn. 30; SSW-StGB/Hilgendorf, 3. Aufl., § 184b Rn. 15).

Nach dem Schutzzweck des § 184b StGB ist dieser Straftatbestand nicht auf Fälle der Darstellung strafbewehrter sexueller Missbrauchstaten im Sinne der §§ 176 bis 176b StGB beschränkt. Denn das Merkmal „Erheblichkeit“ in § 184h Nr. 1 StGB ist nicht einheitlich am Maßstab des § 176 Abs. 1 StGB, -sondern gemäß dem Wortlaut des § 184h Nr. 1 StGB „im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut“ zu bestimmen. Nachdem § 184b StGB aber schon mögliche Anreize für potenzielle Missbrauchstäter vermeiden soll, versagt der für § 176 StGB entwickelte Maßstab der „Erheblichkeit“ gerade in den Fällen, in denen es dort zum Beispiel auf die Intensität und Dauer einer Berührung ankommt; die Übernahme dieses Maßstabs würde den Zweck der Anreizvermeidung verkürzen (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 –1 StR 485/13, BGHSt 59, 177, 182 f. mwN).

BGH zum „Einwirken“ im Sinne des § 176 StGB

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 22. Juni 2010 (3 StR 177/10) eine Entscheidung zum Begriff des „Einwirkens“ auf ein Kind im Sinne des § 176 StGB getroffen. Auch für das heute oft verfolgte Phänomen des „Cybergroomings“ ist diese Entscheidung wichtig. Weiterlesen