Und nochmal: Der Bundesgerichtshof zur Definition der „Sexuellen Handlung“
Sexueller Missbrauch durch reines Fotografieren einer Alltagssituation?
Der Bundesgerichtshof hatte im August 2018 über ein teilweise freisprechendes Urteil des Landgerichts Berlin zu entscheiden. Hierbei war die Frage zu klären, ob das Fotografieren eines nackten und entblößten Kindes in einer alltäglichen Situation als Herstellung von Kinderpornografie strafbar sein kann. (Urteil vom 29. August 2018, 5 StR 147/18 in abgekürzter Fassung)
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Ausführungen des Landgerichts in seiner rechtlichen Würdigung lassen besorgen, dass es bei der Beurteilung, ob im Fall 1 – und infolgedessen auch im Fall 3 – der Urteilsgründe eine sexuelle Handlung des Angeklagten vorliegt, von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen ist.
An einem Kind mit Körperkontakt vorgenommene Handlungen sind sexuelle Handlungen, wenn diese bereits objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen. Daneben können aber auch sogenannte ambivalente Tätigkeiten, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein. Insoweit ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt. Dazu gehören auch die Zielrichtung des Täters (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2016 –4 StR 389/16) und seine sexuel-12131415-8-len Absichten (BGH, Urteile vom 10. März 2016 –3 StR 437/15, BGHSt 61, 173, 176; vom 21. September 2016 –2 StR 558/15, NStZ 2017, 528).
Der notwendige Sexualbezug kann sich mithin etwa aus der den Angeklagten leitenden Motivation ergeben, seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen (BGH aaO). Demgegenüber hat das Landgericht darauf abgestellt, dass „der objektive Betrachter der Handlung … zwar alle objektiven Umstände des Einzelfalls, allerdings nicht die Motivation des Handelnden (kennt), es sei denn, dass diese in objektiv wahrnehmbarer Weise zum Ausdruck kommt“ (UA S. 10)
Nach § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB macht sich auch strafbar, wer kinder-pornographische Schriften ausschließlich zum Eigenbedarf herstellt. Eine spätere Verbreitung ist seit der Einfügung der Nummer 3 durch das 49. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10) nicht mehr erforderlich (vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 30; MüKo-StGB/Hörnle, 3. Aufl., § 184b Rn. 30; SSW-StGB/Hilgendorf, 3. Aufl., § 184b Rn. 15).
Nach dem Schutzzweck des § 184b StGB ist dieser Straftatbestand nicht auf Fälle der Darstellung strafbewehrter sexueller Missbrauchstaten im Sinne der §§ 176 bis 176b StGB beschränkt. Denn das Merkmal „Erheblichkeit“ in § 184h Nr. 1 StGB ist nicht einheitlich am Maßstab des § 176 Abs. 1 StGB, -sondern gemäß dem Wortlaut des § 184h Nr. 1 StGB „im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut“ zu bestimmen. Nachdem § 184b StGB aber schon mögliche Anreize für potenzielle Missbrauchstäter vermeiden soll, versagt der für § 176 StGB entwickelte Maßstab der „Erheblichkeit“ gerade in den Fällen, in denen es dort zum Beispiel auf die Intensität und Dauer einer Berührung ankommt; die Übernahme dieses Maßstabs würde den Zweck der Anreizvermeidung verkürzen (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 –1 StR 485/13, BGHSt 59, 177, 182 f. mwN).