BGH zum „Einwirken“ im Sinne des § 176 StGB

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 22. Juni 2010 (3 StR 177/10) eine Entscheidung zum Begriff des „Einwirkens“ auf ein Kind im Sinne des § 176 StGB getroffen. Auch für das heute oft verfolgte Phänomen des „Cybergroomings“ ist diese Entscheidung wichtig.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in neun Fällen und wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Miss-brauch von Kindern zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. 1 1.

Im Falle II. 12. der Urteilsgründe tragen die insoweit lückenhaften Feststellungen nicht den Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs von Kin-dern nach § 176 Abs. 3 Nr. 3 StGB in der bis 31. März 2004 geltenden Fassung. 2 Nach den Feststellungen zog der Angeklagte an einem nicht mehr zu ermittelnden Tag im Jahre 2002 die 1991 geborene Tochter Annemarie seiner Lebensgefährtin in der gemeinsamen Wohnung zu seinem Computer und „zeigte ihr pornographische Aufnahmen“. Als sie weggehen wollte, weil sie die Bilder nicht sehen wollte, „versuchte der Angeklagte, sie festzuhalten, ließ sie dann jedoch gehen, als sie sich dagegen wehrte“.

Soweit hier von Belang, setzt der Tatbestand des § 176 Abs. 3 Nr. 3 StGB aF – ebenso wie § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB nF – voraus, dass der Täter durch Vorzeigen pornographischer Abbildungen oder Darstellungen auf ein Kind einwirkt. Pornographisch sind Abbildungen oder Darstellungen, die sexualbezo-genes Geschehen vergröbernd und ohne Sinnzusammenhang mit anderen Le-bensäußerungen zeigen (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 184 Rdn. 7). Allein die verallgemeinernde Beschreibung mit „pornographische Aufnahmen“ belegt dies nicht.

Zudem verlangt ein Einwirken eine psychische Einflussnahme tiefergehender Art (vgl. BGHSt 29, 29, 30 f.; BGH NStZ 1991, 485; NJW 1976, 1984); auch hierauf kann ohne nähere Feststellungen zum Inhalt der Aufnahmen nicht geschlossen werden. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Falle II. 12. der Urteilsgründe führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs, denn das Landgericht hat bei der Bemessung sämtlicher Einzelstrafen und der Gesamtstrafe erschwerend berücksichtigt, dass von den Taten des Angeklagten alle drei Kinder seiner Lebensgefährtin betroffen waren. Zwar begegnet diese Erwägung für sich gesehen keinen rechtlichen Bedenken, gegen Annemarie richtete sich jedoch lediglich diese eine Tat. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die pauschale Erwägung, keiner der Übergriffe sei ein „Ausrutscher“ gewesen, nicht erkennen lässt, ob die bei der Prüfung eines minderschweren Falls anzulegenden rechtlichen Maßstäbe jeweils beachtet worden sind.