Bundesgerichtshof: Sexuelle Belästigung gem. § 184i StGB nur bei entsprechendem Vorsatz des Beschuldigten

Beschluss des BGH vom 15. November 2017, Aktenzeichen 5 StR 518/17

Der Bundesgerichtshof hat eine Selbstverständlichkeit bestätigt: Sexuelle Belästigung im Sinne des § 184i StGB liegt nur dann vor, wenn der Beschuldigte davon ausgeht, dass er eine andere Person „belästigt“. Weiterlesen

Der Bundesgerichtshof zum Begriff der sexuellen Belästigung im Sinne des § 184i StGB

Sowohl als auch: Der Begriff der „sexuellen Belästigung“ ist nach der  Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einzelfallabhängig nach subjektiven und objektiven Maßstäben zu messen. Diese Entscheidung zeigt, wie schwierig sich der Umgang mit der Vorschrift des § 184i StGB  in der Praxis darstellt.

BGH, Beschluss vom 13.3.2018–4 StR 570/17

Zum Sachverhalt

Das LG Essen hat mit Urteil vom 22.6.2017 die Angekl. S wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen sexueller Belästigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und den Angekl. B wegen Beihilfe zur Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Mitangekl. K, der keine Revision eingelegt hat, wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen ihre Verurteilung wandten sich die Angekl. S und B mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen.

Die Rechtsmittel führten zur Aufhebung des Urteils, die sich gem. § 357 Satz 1 StPO auf den Mitangekl. K erstreckte; die Sache wurde an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen.

Aus den Gründen

Die Verurteilung der Angekl. S und B im Zusammenhang mit dem Tatgeschehen zum Nachteil des Nebenkl. L hat keinen Bestand.

Die Verurteilung der Angekl. S wegen sexueller Belästigung gem. § 184 i StGB zum Nachteil der Polizeibeamtin St hält rechtlicher Nachprüfung ebenfalls nicht stand.

Diese Verurteilung beruht im Wesentlichen auf folgenden Feststellungen des LG:

Nachdem die Angekl. S am 11.2.2017 aufgrund des vorgenannten Geschehens festgenommen worden war, wurde sie in den Räumen einer Polizeiwache in G. – in Anwesenheit der geschädigten Polizeibeamtin St – von einer weiteren Polizeibeamtin körperlich durchsucht. Die Angekl., der die Durchsuchung missfiel, rief der Geschädigten zu: „Und Du willst wohl auch gleich in meine Fotze gucken? Soll ich auch in Deine greifen?“ Dabei griff sie der Geschädigten mit einer schnellen Bewegung in den Schritt und kniff sie dort schmerzhaft. Die Geschädigte war hierdurch schockiert; der Vorfall war ihr peinlich, und sie ekelte sich sehr.

Zwar sind die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Straftatbestands der sexuellen Belästigung iSd § 184i Absatz 1 StGB erfüllt. Das LG hat indes nicht geprüft, ob der Strafbarkeit die Subsidiaritätsklausel dieser Vorschrift entgegensteht.

Gemäß § 184i Absatz 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der körperlichen Berührung „in sexuell bestimmter Weise“ iSv § 184i Absatz 1 StGB – diese Vorschrift ist durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4.11.2016 (BGBl. I 2016, Seite 2460) eingeführt worden – hat sich der BGH bislang nicht geäußert (zum Verhältnis der Vorschrift zu § 184h StGB vgl. BGH, NStZ-RR 2017, Seite 277 und NStZ 2018, Seite 91 = StV 2018, Seite 238.  Im Schrifttum werden insoweit unterschiedliche Auslegungsansätze vertreten.

Teile der Literatur bestimmen den Begriff „in sexuell bestimmter Weise“ anhand objektiver Umstände und verlangen, dass sich der Sexualbezug aus der Berührung als solcher ergeben müsse – diese müsse nach ihrem äußeren Erscheinungsbild eine sexuelle Konnotation aufweisen (vgl. MüKoStGB/Renzikowski, 3. Aufl., § 184 i Rn. 8 ders., NJW 2016, Seite 3553; SK-StGB/Noltenius, 9. Aufl., § 184 i Rn. 6; Hörnle, NStZ 2017, Seite 13; Hoven/Weigend, JZ 2017, Seite 182;  in diese Richtung auch Krug/Weber, ArbR 2018, 59 [60]). Zur Bestimmung des Sexualbezugs werden als Kriterien genannt die soziokulturell bestimmte Bedeutung der berührten Körperstelle (MüKoStGB/Renzikowski, § 184 i Rn. 8, ders., NJW 2016, Seite 3553) sowie der Umstand, dass für den in Rede stehenden Körperkontakt typischerweise das Bestehen einer intimen Beziehung vorausgesetzt werde [Hörnle, NStZ 2017, Seite 13,; SK-StGB/Noltenius, §184 i Rn. 6).

Nach anderer – weiter gehender – Auffassung soll das Vorliegen einer Berührung „in sexuell bestimmter Weise“ anhand der Auslegungskriterien zu bestimmen sein, welche die Rechtsprechung zum Begriff der sexuellen Handlung nach § 184h Nummer 1 StGB entwickelt hat (Fischer, StGB, 65. Aufl., § 184 i Rn. 4-5 a; in diese Richtung auch BeckOK StGB/Ziegler, 1.2.2018, § 184 i Rn.4 und 5); demnach könne eine Berührung sowohl objektiv – nach dem äußeren Erscheinungsbild – als auch subjektiv – nach den Umständen des Einzelfalls – sexuell bestimmt sein, wobei es allerdings nicht ausreiche, dass die Handlung allein nach der subjektiven Vorstellung des Täters sexuellen Charakter habe (Fischer, §184 i Rn. 4-5 a).

Der Senat folgt der letztgenannten Ansicht. Mit Blick auf § 184h Nummer 1 StGB sprechen für diese Auslegung insbesondere systematische Erwägungen. Zudem wird sie durch den Wortlaut sowie Sinn und Zweck der neuen Strafvorschrift gestützt.

 Für eine Maßgeblichkeit der zum Begriff der sexuellen Handlung gem. § 184h StGB entwickelten objektiven und subjektiven Kriterien spricht zunächst der weitgefasste Wortlaut des § 184i  StGB. Dieser verlangt lediglich, dass die belästigende Berührung überhaupt einen Sexualbezug aufweist („in sexuell bestimmter Weise“), schränkt aber die hierfür maßgeblichen Umstände in keiner Weise ein. Es kommt hinzu, dass beide Vorschriften – unmittelbar aufeinanderfolgend – im 13. Abschnitt des Strafgesetzbuchs geregelt sind und einheitlich dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung dienen.

Weiter spricht für die Übertragung der zu § 184 h Nummer 1 StGB entwickelten Grundsätze auf den Straftatbestand der sexuellen Belästigung das Anliegen des Gesetzgebers, mit § 184i StGB solche Handlungen zu pönalisieren, die mangels Erreichen der Erheblichkeitsgrenze zwar keine sexuellen Handlungen iSd § 184 h StGB darstellen, aber gleichwohl sexuell belästigend wirken (vgl. BT-Drs. 18/9097, 30). Der Gesetzgeber sah sich also maßgeblich durch die Erheblichkeitsgrenze des § 184h Nummer 1 StGB veranlasst, den Tatbestand der sexuellen Belästigung einzuführen, um auch weniger gravierende Handlungsformen strafrechtlich zu erfassen (ebenso BGH, NStZ-RR 2017, S. 277 und NStZ 2018,Seite 91= StV 2018, Seite 238. Ausgehend von diesem Anliegen ist es jedoch folgerichtig, den – von der Erheblichkeitsfrage zu trennenden – Sexualbezug der Berührung so zu bestimmen wie bei der sexuellen Handlung gem. § 184 h Nummer 1 StGB, zumal der Gesetzgeber diesbezüglich keinen ergänzenden Regelungsbedarf sah.

Einer solchen Auslegung steht nicht die weitere Gesetzesbegründung zu § 184 i Absatz 1 StGB entgegen, wonach eine Berührung in sexuell bestimmter Weise erfolge, wenn sie sexuell motiviert sei; dies liege nahe, wenn der Täter das Opfer an den Geschlechtsorganen berühre oder Handlungen vornehme, die typischerweise eine sexuelle Intimität zwischen den Beteiligten voraussetze (BT-Drs. 18/9097, 30).

Danach wäre der Sexualbezug einer Berührung grundsätzlich anhand der subjektiven Tatseite zu bestimmen und müsste stets mit einer sexuellen Motivation des Täters einhergehen; die äußere Handlung könnte lediglich als Beweisanzeichen für eine entsprechende Motivation herangezogen werden (vgl. zu einem entsprechenden Verständnis der Gesetzesbegründung Hörnle, NStZ 2017, S.13). Eine solche maßgeblich mit der Tätermotivation verknüpfte Auslegung stünde jedoch in Widerspruch zu Sinn und Zweck des § 184 i StGB. Schutzgut dieser Vorschrift ist das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung (vgl. BT-Drs. 18/9097, 30; MüKoStGB/Renzikowski, § 184 i Rn.1; NK-StGB/Frommel, 5. Aufl., § 184 i Rn.2; SK-StGB/Noltenius, § 184 i Rn. 2). Verlangte man für die Strafbarkeit aber stets eine sexuelle Tätermotivation, würde dies den Tatbestand der sexuellen Belästigung in erheblichem Maße einschränken, da gerade bei den von § 184i StGB ins Auge gefassten Berührungen (vgl. BT-Drs. 18/9097, 29 f.: ua flüchtiger Griff in den Schritt, „Begrapschen des Gesäßes“) häufig keine eigentliche sexuelle Motivation des Täters – insbesondere in Form eines angestrebten Lustgewinns – feststellbar sein wird. Vielmehr werden solche Berührungen oftmals aus anderen Gründen erfolgen, etwa um das Gegenüber zu belästigen, zu demütigen oder durch Distanzlosigkeit zu provozieren. An der Beeinträchtigung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung ändert sich hierdurch aber nichts.

Dementsprechend steht es nach ständiger Rechtsprechung bei Verhaltensweisen, die bereits nach ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen, der Annahme einer sexuellen Handlung gem. § 184h Nummer 1 StGB nicht entgegen, dass der Täter nicht von sexuellen Absichten geleitet ist, sondern aus Wut, Sadismus, Scherz oder zur Demütigung seines Opfers handelt (vgl. BGHSt 60, Seite 52=NJW 2014, Seite 3737= NStZ 2015, Seite 33); BGH, NStZ-RR 2008, SEitte 339; BGHSt 39, Seite 212=NJW 1993, Seite 2252= BGHR StGB § 178 Abs. 1 sexuelle Handlung 6; BGH, NStZ 1983, Seite 167, BGHSt 29, Seite 336; KoStGB/Hörnle, § 184 h Rn. 7 mwN). Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des Senats auch für die Auslegung von § 184i Absatz 1 StGB, soweit es sich um eine bereits nach den äußeren Umständen sexualbezogene Berührung handelt. Der teilweise in eine andere Richtung weisenden Gesetzesbegründung ist keine bewusste Abkehr von den vorgenannten Grundsätzen zu entnehmen. Der Gesetzgeber hatte Fallgestaltungen äußerlich eindeutig sexualbezogener Körperkontakte bei fehlender sexueller Motivation offenbar lediglich nicht im Blick.

Auch eine rein objektive Auslegung, nach der sich der Sexualbezug allein aus dem äußeren Erscheinungsbild der Berührung als solcher ergeben müsse (vgl. MüKoStGB/Renzikowski, § 184 i Rn.8; Hörnle, NStZ 2017, Seite 13]; ähnlich SK-StGB/Noltenius, § 184 i Rn. 6 und Hoven/Weigend, JZ 2017, Seite 182), würde den gesetzgeberischen Zweck der Vorschrift verfehlen. Gerade im Bereich von Körperkontakten unterhalb der Erheblichkeitsgrenze des § 184h Nummer 1 StGB sind zahlreiche Formen äußerlich ambivalenter Berührungen denkbar, die aber bei Kenntnis aller Umstände, unter Berücksichtigung des gesamten Handlungsrahmens und nach ihrem sozialen Sinngehalt in einem eindeutigen sexuellen Kontext erscheinen. Hierbei können insbesondere sexuelle Absichten des Täters (etwa gezieltes Herandrängen an eine andere Person in öffentlichen Verkehrsmitteln, um sich hieran zu erregen – vgl. hierzu Fischer, § 184 i Rn. 5) oder flankierende Äußerungen (vgl. BGH, NStZ 2002, Seite 431; StV 1997, Seite 524) von Bedeutung sein.

Eine Berührung in sexuell bestimmter Weise ist demnach zu bejahen, wenn sie einen Sexualbezug bereits objektiv, also allein gemessen an dem äußeren Erscheinungsbild, erkennen lässt. Darüber hinaus können auch ambivalente Berührungen, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein. Dabei ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalls kennt; hierbei ist auch zu berücksichtigen, ob der Täter von sexuellen Absichten geleitet war. Insofern gilt im Rahmen von § 184i StGB nichts anderes als bei der Bestimmung des Sexualbezugs einer Handlung gem. § 184h Nummer 1 StGB.

Gemessen daran ist die Annahme des LG, die Angekl. habe den Tatbestand des § 184i StGB objektiv und subjektiv erfüllt, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Die Angekl. hat die Geschädigte nach den Urteilsfeststellungen gezielt in den Schritt – also in den Bereich des primären Geschlechtsorgans – gekniffen. Hierdurch ergibt sich bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild ein Bezug zum Geschlechtlichen (vgl. für Berührungen im Bereich der primären Geschlechtsorgane im Ergebnis übereinstimmend: BT-Drs. 18/9097, 30; Fischer, § 184 i Rn. 4; MüKoStGB/Renzikowski, § 184 i Rn. 8; Hörnle, NStZ 2017, S.13). Dieser sexuelle Bezug wurde, ohne dass es hierauf noch maßgeblich ankäme, verstärkt durch die begleitende Äußerung der Angekl., aus welcher sich ergibt, dass gerade die Intimsphäre der Geschädigten als Reaktion auf die eigene, als störend empfundene körperliche Durchsuchung verletzt werden sollte.

Da sich eine Berührung in sexuell bestimmter Weise bereits hinreichend aus den äußeren Umständen ergibt, ist es unerheblich, dass keine sexuelle Motivation der Angekl. festgestellt ist, sondern sie naheliegend allein aus Renitenz und zur Provokation der Geschädigten handelte.

Die Angekl. hat die Geschädigte durch das Kneifen in den Schritt auch iSv § 184 Absatz 1 StGB belästigt. Im Rahmen dieser Vorschrift reicht nicht jede Form von subjektiv empfundener Beeinträchtigung als tatbestandsrelevante Belästigung aus. Angesichts des Schutzguts der im 13. Abschnitt verorteten Strafnorm und ihrer amtlichen Überschrift muss es sich vielmehr gerade um eine „sexuelle Belästigung“ handeln, bei welcher die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers tangiert ist (vgl. BT-Drs. 18/9097, 30; Fischer, § 184 i Rn. 6; BeckOK StGB/Ziegler, § 184 i Rn. 8 ). Eine solche sexuelle Belästigung ist dem angefochtenen Urteil hinreichend zu entnehmen, da festgestellt ist, dass die Geschädigte den Vorfall als peinlich empfand und sich ekelte.

Da die Berührung im Schritt der Geschädigten ohne Weiteres geeignet war, sexuell belästigend zu wirken, braucht der Senat vorliegend nicht zu entscheiden, ob es allein auf das individuelle Empfinden des Tatopfers ankommt (idS Fischer, § 184 i Rn. 6; BeckOK StGB/Ziegler, § 184 i Rn. 7; Hoven/Weigend, JZ 2017, Seite 182; so auch für § 183 StGB LK-StGB/Laufhütte/Roggenbuck, 12. Aufl., § 183 Rn. 4) oder ob zusätzlich eine aus objektiver Perspektive zu bestimmende Eignung zur Belästigung vorliegen muss (vgl. MüKoStGB/Renzikowski, § 184 i Rn. 10; SK-StGB/Noltenius, § 184 i Rn. 6; eine objektive Eignung der Handlung zur Belästigung wird teils auch im Rahmen von § 183 StGB gefordert: vgl. MüKoStGB/Hörnle, § 183 Rn. 12; Heger in Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 183 Rn. 3). Angesichts der tatbestandlichen Reichweite von § 184i StGB neigt der Senat jedoch der Auffassung zu, dass es nicht allein auf das subjektive Empfinden des Opfers ankommt, sondern dass die Berührung auch bei einer wertenden Betrachtung objektiv geeignet sein muss, sexuell belästigend zu wirken (in diese Richtung weist auch die Gesetzesbegründung, wonach bloße Ärgernisse, Ungehörigkeiten oder Distanzlosigkeiten „nicht ohne Weiteres dazu geeignet seien, die sexuelle Selbstbestimmung zu beeinträchtigen“, BT-Drs. 18/9097, 30).

Die Angekl. S handelte auch vorsätzlich. Insoweit reicht es aus, dass sich der Täter des sexuellen Charakters seines Tuns bewusst ist (vgl. BGH, BGHR StGB § 184 i Abs. 1 Tathandlung 1 ) zum Begriff der sexuellen Handlung BGHSt 60, Seite 52]; BGHSt 39, Seite 212 = NJW 1993, Seite 2252= BGHR StGB § 178 Abs. 1 sexuelle Handlung 6; Fischer, § 184 h Rn. 10; MüKoStGB/Renzikowski, § 184 h Rn.7). Ein entsprechender Vorsatz ist den Feststellungen zu entnehmen und im Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe belegt, da die Angekl. der Geschädigten gezielt in den Schritt kniff und den Sexualbezug bewusst durch ihre begleitende Äußerung unterstrich.

Allerdings lässt das angefochtene Urteil die gebotene Auseinandersetzung damit vermissen, dass eine Strafbarkeit wegen sexueller Belästigung nach § 184 i Absatz 1 StGB ausscheidet, wenn die Tat in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

Aus der uneingeschränkt auf „andere Vorschriften“ verweisenden Subsidiaritätsklausel ergibt sich, dass § 184i StGB von allen Strafvorschriften mit schwererer Strafandrohung verdrängt wird und nicht nur von solchen des 13.Abschnitts des Strafgesetzbuchs (vgl. Fischer, § 184 i Rn. 16; MüKoStGB/Renzikowski, § 184 i Rn. 14; SK-StGB/Noltenius, § 184 i Rn. 13). Zwar verweist die Gesetzesbegründung in diesem Zusammenhang nur auf Straftatbestände, die eine mit § 184i StGB „vergleichbare Schutzrichtung aufweisen“ (BT-Drs. 18/9097, 30). Dieser gesetzgeberische Wille hat aber im Wortlaut des § 184i StGB keinen Niederschlag gefunden und ist damit unbeachtlich, da der Wortlaut die äußerste Grenze der Auslegung ist (vgl. SK-StGB/Noltenius, § 184 i Rn. 13; MüKoStGB/Renzikowski, § 184 i Rn.14, vgl. zur entsprechend weiten Auslegung der Subsidiaritätsklausel im Rahmen von § 246 Absatz1 StGB: BGHSt 47,  Seite 243; so auch zu § 125 StGB StGB aF: BGHSt 43, Seite 237] = NJW 1998, Seite 465).

Im angefochtenen Urteil werden, obwohl sich dies aufgedrängt hat, etwaige vorrangige Tatbestände nicht geprüft. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die Angekl. S die Geschädigte „schmerzhaft“ kniff, was das Vorliegen einer Körperverletzung gem. § 223 Absatz1  StGB – dieses Delikt ist mit schwererer Strafe bedroht als § 184i Absatz 1 StGB – nahelegt. Dass es sich um eine bloß unerhebliche körperliche Einwirkung handelte (vgl. hierzu BGHSt 53, Seite 145, BGH, NStZ 2007, S.404; MüKoStGB/Joecks, § 223 Rn. 22ff.), ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Hierüber vermag der Senat nicht abschließend zu befinden, zumal das Urteil auch keine Beweiswürdigung zum Schmerzempfinden der Geschädigten enthält.

Die Verurteilung nach § 184i  StGB anstatt (möglicherweise) nach § 223 Absatz1 StGB beschwert die Angekl. trotz des höheren Strafrahmens der letztgenannten Vorschrift.

Aus einem zu milden Schuldspruch ergibt sich dann eine Beschwer, wenn das vom Tatrichter angewandte Strafgesetz völlig verschieden ist von demjenigen, welches in Wahrheit verletzt wurde (vgl. BGHSt 8, Seite 34 = NJW 1955, Seite 1407; Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 354 Rn. 22; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 354 Rn. 17). Dies muss auch gelten, wenn der Strafbarkeit lediglich die formelle Subsidiarität einer Vorschrift entgegensteht, da auch das Nichteingreifen der Subsidiaritätsklausel Voraussetzung der Strafbarkeit ist.

Dementsprechend kann hier der Schuldspruch wegen sexueller Belästigung keinen Bestand haben, da sich die Schutzgüter von § 184i StGB und dem möglicherweise verwirklichten § 223 StGB – namentlich die sexuelle Selbstbestimmung und die körperliche Unversehrtheit – deutlich voneinander unterscheiden. Zudem stellt die Strafkammer in ihren Strafzumessungserwägungen zum zweiten Tatkomplex allein auf Gesichtspunkte ab, welche mit dem Vorliegen eines gegen die sexuelle Selbstbestimmung gerichteten Straftatbestandes in Zusammenhang stehen. Auch wenn die Verwirklichung eines formell subsidiären Delikts bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden kann (vgl. BGHSt 6, Seite 25 = NJW 1954, Seite 810,  BGH, Beschl. v. 16.9.2010 – Fischer, vor § 52 Rn. 45), vermag der Senat nicht auszuschließen, dass sich die Strafkammer angesichts der nicht unbeträchtlichen Strafhöhe gerade von einem entsprechenden Schuldspruch wegen sexueller Belästigung hat leiten lassen.