Bundesgerichtshof: Sexuelle Belästigung gem. § 184i StGB nur bei entsprechendem Vorsatz des Beschuldigten

Beschluss des BGH vom 15. November 2017, Aktenzeichen 5 StR 518/17

Der Bundesgerichtshof hat eine Selbstverständlichkeit bestätigt: Sexuelle Belästigung im Sinne des § 184i StGB liegt nur dann vor, wenn der Beschuldigte davon ausgeht, dass er eine andere Person „belästigt“.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 15. November 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

  1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. Juli 2017 im Fall 2 der Urteilsgründe aufgehoben;der Angeklagte wird insoweit auf Kosten der Staatskasse, die auch die diesem erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat, freigesprochen.
  2. Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.
  3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfah-ren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tatein-heit mit vorsätzlicher Körperverletzung, sexueller Belästigung, Raubes, Unter-schlagung und Sachbeschädigung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.Die mit der Sachrüge geführte Revision hat in dem sich aus der Beschlussformel ergebenden Umfang Erfolg; ansonsten ist sie unbegründet (§349 Abs.2 StPO).

Das Urteil hat hinsichtlich des Schuldspruches wegen sexueller Belästigung gemäß § 184i Abs. 1 StGB (Fall 2 der Urteilsgründe) keinen Bestand.

Nach den Feststellungen traf der Angeklagte M., mit der er über Facebook vereinbart hatte, dass sie ihn „entjungfern“ werde. Zu dem Treffen hatte sie vorsorglich einKondom mitgenommen. Beide suchten nun einen hierfür geeigneten Ort. Der Angeklagte ging davon aus, die Zeugin M.habe weiterhin sexuelles Interesse an ihm. Auf einem Sportplatz schob er, sie von hinten umfassend, seine Hand unter die Hose und Unterhose der Zeugin M.kurz vor deren Scheide. Sie fühlte sich hierdurch sexuell belästigt. Angesichts dieser Feststellungen hätte das Landgericht näher erörtern müssen, weshalb der Angeklagte eine sexuelle Belästigung der Zeugin M.in sein Vorstellungsbild mit aufgenommen haben sollte. Ein Beleg hierfür ergibt sich auch nicht aus seiner Einlassung zu diesem Fall oder den Bekundungen der Zeugin M., die „aufgrund mangelnden Selbstbewusstseins“ (UA S. 8) nach den anfangs vereinbarten sexuellen Handlungen mit dem Angeklagten ihren zwischenzeitlich eingetretenen Unwillen nicht zu äußern vermochte. Wieso sich der Angeklagte bewusst gewesen sein sollte, „dass die Zeugin sein Verhalten … als belästigend empfinden könnte“(UA S.14), erschließt sich dem Senat nicht. Der Angeklagte hat die sexuellen Handlungen beendet, als die Zeugin ihrer Aussage nach seine Hand aus der Hose gezogen(UA S. 14) und damit erstmalig erkennbar ihre Abneigung bezüglich des Verhaltens des Angeklagten zum Ausdruck gebracht hat. Der Senat schließt aus, dass ergänzende Feststellungen getroffen werden können, die einen Vorsatz des Angeklagten belegen könnten (…).