Schlagwortarchiv für: Zeugenaussage

Mangelhafte Konstanzanalyse bei Aussage gegen Aussage und lückenhafte Beweiswürdigung beim Vorwurf sexueller Missbrauch

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 15. April 2025 ein Urteil des Landgerichts Verden aufgehoben.

Der Angeklagte war wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden. Das Landgericht hat jedoch keine für den BGH überprüfbare Begründung vorgelegt. Insbesondere, und das ist für die Praxis der Verteidigung in Sexualstrafsachen immer von Bedeutung, lässt sich dem Urteil nicht der Ursprung der Zeugenaussagen entnehmen. Der BGH kritisiert, dass so auch nicht überprüfbar sei, ob die Aussagen belastbar sind.

Eine für den Verurteilten schmerzhafter Fehler liegt darin, dass das Landgericht offenbar auch noch Angaben von Zeugen falsch zugeordnet hat. So schreibt der BGH:

„Schließlich ist zu besorgen, dass die Strafkammer die Angaben der Zwillingsschwestern insoweit verwechselt hat, als sie „die Schilderung der beiden Vorfälle betreffend das Kratzen am Mückenstich durch L. (für) erlebnisbasiert“ gehalten hat, was weder mit deren Angaben noch den festgestellten Taten korrespondiert, die nur einen entsprechenden Vorfall zum Nachteil von L., aber zwei zum Nachteil von Li. zum Gegenstand haben.“

Beweiswürdigung bei Aussage gegen Aussage

Können Abweichungen in der Aussage nicht mit üblichen Unsicherheiten bei der Erinnerung erklärt werden, weist das auf eine mangelnde Glaubhaftigkeit hin.

Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts Dortmund aufgehoben. Die ungewöhnliche Konstellation des Falles war, dass einer Frau sexueller Missbrauch ihres Sohnes vorgeworfen wurde. Neben der klassischen Konstellation Aussage gegen Aussage hat der Bundesgerichtshof sich auch mit der Frage befasst, welche Erwartungen an eine Zeugenaussage im Falle eines sexuellen Übergriffs zu stellen sind:

„Eine Inkonstanz in den Bekundungen eines Zeugen stellt einen Hinweis auf mangelnde Glaubhaftigkeit der Angaben insgesamt dar, wenn sie nicht mehr mit natürlichen Gedächtnisunsicherheiten erklärt werden kann.“
(vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 – 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 172)

Hier kann der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Februar 2022 nachgelesen werden.