„Darf die Polizei ein Nacktfoto von mir anfertigen?“

Diese Frage lässt sich mit „Jein“ beantworten, doch dazu gleich mehr. Erst einmal zum Hintergrund: In Verfahren mit dem Vorwurf eines Sexualdeliktes wie sexueller Missbrauch, Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung werden durch die Polizei „Erkennungsdienstliche Maßnahmen“ oder eine „Erkennungsdienstliche Behandlung“ angeordnet. Der Beschuldigte wird aufgefordert, Fingerabdrücke abzugeben, sich  fotografieren zu lassen oder zum Zwecke der Erstellung einer „Täterbeschreibung“ zu erscheinen.

Was ist das Ziel einer erkennungsdienstlichen Behandlung?

Erstens: Daten zur Ermittlung

In der Regel dient eine erkennungsdienstliche Behandlung den Ermittlungen in einem Strafverfahren. Damit soll festgestellt werden, ob dem Beschuldigten die Tat nachweisbar ist. So sollen zum Beispiel Zeugen Fotos des Beschuldigten vorgelegt werden, auf denen besondere Merkmale wie Tätowierungen oder Narben zu sehen sind. Diese Beweise sind nur für das entsprechende Verfahren bestimmt und werden in der Regel auch in der Ermittlungsakte aufbewahrt. Hiergegen ist eine Beschwerde bei dem zuständigen Amtsgericht zulässig.

Zweitens: Daten für die Datenbank

Manchmal will die Polizei aber mehr: Zum Zwecke des Erkennungsdienstes sollen Ihre Daten in einer Datei abgespeichert werden, die zukünftigen Ermittlungen in anderen Verfahren dient. Im Unterschied zu der oben beschriebenen Alternative geht es hierbei nicht um Ermittlungen in bereits bekannten Verfahren. Es geht um die dauerhafte Speicherung Ihrer Daten in der polizeilichen Datenbank, umgangssprachlich auch „Verbrecherkartei“ genannt.

Dieser Vorgang wird unabhängig von Ermittlungen gegen Sie betrieben. Oft wird der Umstand, dass es ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Sexualstraftat gibt zum Anlass genommen, den Beschuldigten auch in der polizeilichen Datenbank zu erfassen, um im Falle zukünftiger Verfahren Daten abgleichen zu können. Dies ist rechtlich grundsätzlich erlaubt, aber in vielen Fällen nicht zulässig. Das gilt insbesondere dann, wenn es aufgrund des Vorwurfs noch zu keiner Verurteilung gekommen ist und die Umsetzung der Maßnahme im Verhältnis zum Tatvorwurf unverhältnismäßig ist. Gegen solche Speicherungen muss dann zuerst Widerspruch bei der zuständigen Polizeibehörde eingelegt werden. Sollte dieser ohne Erfolg bleiben, muss eine Klage oder ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bei dem zuständigen Verwaltungsgericht gestellt werden. Oft reicht die Stellung des Antrages bei dem Verwaltungsgericht schon aus, um weitere Schritte der Polizei erst einmal zu stoppen, bis die Angelegenheit abschließend rechtlich geklärt wird.

Sexualstrafrecht: Anwalt Berlin (Ursus Koerner von Gustorf)
Auch in Sachen erkennungsdienstliche Maßnahmen immer an Ihrer Seite: Fachanwalt Ursus Koerner von Gustorf

Wann darf die Polizei eine erkennungsdienstliche Maßnahme anordnen?

Seitens der Polizeibehörden wird jedoch regelmäßig die sofortige Vollziehung der Maßnahme angeordnet. Oft wird hierbei formelhaft auf eine angebliche Wiederholungsgefahr verwiesen, die jedoch nicht weiter begründet wird.

In diesen Fällen hilft ein bei der Behörde eingelegter Widerspruch nicht weiter und es muss ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz bei dem Verwaltungsgericht gestellt werden.

Sonderfall Berlin:

In den letzten Jahren hat sich in Berlin die Besonderheit abgezeichnet, dass im Zusammenhang mit Ermittlungen im Sexualstrafrecht zum einen fast immer die sofortige Vollziehung angeordnet wird. Zum anderen häufen sich Fälle, in denen Beschuldigten abverlangt wird, sich nackt fotografieren zu lassen und dabei sogar Detailaufnahmen der Geschlechtsteile zu dulden.

Wie können Sie sich wehren?

Als Betroffener einer erkennungsdienstlichen Maßnahme sollten Sie sich unbedingt anwaltlich beraten lassen, am besten von einem Fachanwalt für Strafrecht mit dem Schwerpunkt Sexualstrafrecht. Meine Erfahrung zeigt, dass in Rund 50% der Fälle entweder gerichtlich festgestellt wird, dass die Maßnahmen der Polizei rechtswidrig sind oder die Rechtsabteilung der Polizei selbst nach einem Hinweis des Verwaltungsgerichts die Anordnung zu einer erkennungsdienstlichen Maßnahme zurücknimmt. In diesen erfolgreichen Fällen trägt die Behörde auch die Kosten des Verfahrens und erstattet dem Betroffenen die entstandenen Anwaltskosten.